Mol annerschd uff die annere geguckt – Leipzig

Gerüchte um ein neues Stadion. Konkrete Planspiele oder unrealistische Irritation?

Trotz Heimspiel richten wir den Blick in die Stadt des Gastvereins (Grafik: 1.FC Kaiserslautern)

Trotz Heimspiel richten wir den Blick in die Stadt des Gastvereins (Grafik: 1.FC Kaiserslautern)

Es ist fast auf den Tag ein Jahr her, dass wir in der Rückrunde der Saison 2014/2015 im Vorfeld der Heimpartie gegen Leipzig über den Verein aus der sächsischen Messestadt berichtet hatten. Besser gesagt über die Fanszene in Leipzig. Oder das was man dafür halten mag. Unsere damalige Berichterstattung schloss mit dem mehr oder weniger beseelten Wunsch, dass man Fußball nicht planen und kaufen könne. Allerdings sind gerade planen und kaufen die beiden Stichworte, die in dieser Saison den Anlass für die Betrachtung des Gegners aus Sachsen liefern. In sportlicher Hinsicht wird in der ehrwürdigen Messestadt schon seit längerem geplant und gekauft. Die aktuelle Saison wird dem Brause-Club vermutlich den Aufstieg bescheren, den nicht nur Ralph Rangnick schon in der vergangenen Spielzeit mit Hartnäckigkeit angestrebt hatte. Im Hintergrund dürfte also bereits mit Eifer an der Saison 2016/2017 gearbeitet werden. Wohlgemerkt, einer Saison in der ersten Liga!

Aufgang zur Arena über ehemalige Tribünenwälle des alten Zentralstadions (Foto: RB Leipzig (motivio/Thomas Eisenhuth))

Aufgang zur Arena über ehemalige Tribünenwälle des alten Zentralstadions (Foto: RB Leipzig (motivio/Thomas Eisenhuth))

Wie in der Vergangenheit schon mehrmals vorgekommen, läuft die Saisonplanung in Leipzig auch in diesem Jahr nicht ganz geräuschlos. Beim bayrischen Aufsteiger in Ingolstadt echauffierte man sich kürzlich darüber, dass der Brause-Club angeblich mit dem dortigen Cheftrainer Ralph Hasenhüttl bereits über eine künftige Zusammenarbeit verhandelt hätte. Obwohl der Erfolgstrainer der Ingolstädter noch bis zum kommenden Jahr unter Vertrag sei. Ein normaler Vorgang oder nur die schamlosen Auswüchse eines dreckig gewordenen Geschäfts wo für Moral und Ethik kein Platz mehr scheint? Neben Ralph Hasenhüttl gehören wohl unter anderem noch Lucien Favre oder Markus Weinzierl zum Kandidatenkreis, wobei auch der Augsburger Trainer noch bis 2019 an seinen bisherigen Arbeitgeber gebunden ist. Worüber sich in Ingolstadt vor allem Geschäftsführer Harald Gärtner öffentlich und lautstark erzürnte, waren wohl Zeitpunkt und Art der Kontaktaufnahme zum eigenen Übungsleiter. Dies dann auch noch ohne den laufenden Arbeitgeber vorab zu informieren, was man als Respektlosigkeit wertete. Aber auch solche Vorfälle sind nicht neu. Seit Jahren macht sich das Gefühl breit, vor allem im Fußball könne man mit Geld alles erreichen oder sich auch alles erlauben, wenn man über ausreichend Wirtschaftskraft verfüge.

Die WM-Arena in Leipzig bald nicht mehr ausreichend? (Foto: RB Leipzig; motivio/Florian Eisele)

Die WM-Arena in Leipzig bald nicht mehr ausreichend? (Foto: RB Leipzig; motivio/Florian Eisele)

Mit Blick auf unseren kommenden Gegner aus Leipzig, dürfte insofern eine ganz andere Meldung vor ein paar Wochen kaum noch jemand verwundert haben. Es geistert das Gerücht, die Macher des Clubs verfolgten die Absicht, nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga auch den Bau eines größeren Stadions in der Sachsen-Metropole in Angriff nehmen zu wollen. Wohlgemerkt, den Neubau eines Mega-Stadions! Mit 80.000 Besuchern, was nach Dortmund der zweitgrößte Fußballtempel der Republik wäre. Schon im Februar und März berichteten verschiedene Medien zu dem Thema. Unter anderem die regionale Tagespresse (Mitteldeutsche Zeitung, Leipziger Volkszeitung und im Jahr 2014 bereits Die Welt), teilweise auch die Sportpresse (Stadionwelt, Sport1), einige Nachrichtenkanäle (n-tv, mdr) oder aus der Boulevard-Ecke natürlich die BILD. Mit dem angestrebten Aufstieg ist es durchaus realistisch, dass man in Leipzig mit der bisherigen Spielstätte Kapazitätsprobleme bekommen könnte. Vorausgesetzt die prognostizierte Euphorie in und um Leipzig stellt sich ein und der sportliche Erfolg in der höchsten deutschen Spielklasse sorgt regelmäßig für ein ausverkauftes Haus, respektive für eine häufige Überschreitung der Kapazitäten. Bei entsprechendem Zuschauerzuspruch ist für die Verantwortlichen der Ausbau der bestehenden Arena auf etwa 57.000 Zuschauer zunächst natürlich die erste Option. Die vorhandene WM-Arena, die sozusagen  auf den „Fundamenten“ des alten Zentralstadions errichtet wurde, fasst derzeit 42.959 Zuschauer.

Lage des Sportforum mit WM-Arena im Stadtgebiet (Screenshot Google-Maps)

Lage des Sportforum mit WM-Arena im Stadtgebiet (Screenshot Google-Maps)

Im Jahr 2000 hatte die Stadt Leipzig entschieden das vorhandene und in die Tage gekommene Zentralstadion zur WM-Arena auszubauen. Hauptinvestor war damals der erfolgreiche Unternehmer Michael Klömel (Kinowelt, Verlag Zweitausendeins), der fast 40% der fast 120 Millionen Euro Investitionskosten trug. Bis heute ist er mit seiner Zentralstadion Betreibergesellschaft mbH Eigentümer der Arena. Der Leipziger Retortenclub ist lediglich Mieter. Die Arena ist zusammen mit der Festwiese-Leipzig und der Leipzig-Arena Teil des Sportforums Leipzig und liegt in unmittelbarer Nähe zum Waldstraßenviertel und damit fast im Herzen der Stadt. In der laufenden Saison, bei bislang 15 Heimspielen, war das Stadion lediglich einmal ausverkauft, der bisherige Zuschauerschnitt liegt bei knapp unter 28.000. Das dürfte sich schlagartig ändern, wenn der Aufstieg gelingt. Sollte nach einem Stadion-Ausbau der Zuschauerschnitt jenseits der Marke von 50.000 Besuchern liegen, wird auf die Macher und Verantwortlichen einiges an organisatorischen und logistischen Herausforderungen zukommen. Schon seit Jahren bemüht sich die Stadt im nahen Stadion-Umfeld chaotische Zustände vor allem im Hinblick auf die Verkehrslenkung und die Parkraumsituation in den Griff zu bekommen. Mittlerweile mit Erfolg. Die anfänglichen Probleme, auch mit genervten Anwohnern, seien deutlich zurückgegangen, berichtet Jens-Uwe Boldt vom Stadtplanungsamt in Leipzig. Das aber ist die aktuelle Wahrnehmung bei durchschnittlich weniger als 30.000 Besuchern. Man muss abwarten ob sich das Erfahrungsgefüge problemlos übertragen lässt, wenn es im Schnitt deutlich mehr werden.

Leitbild zum Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt Leipzig (Grafik: Stadt Leipzig)

Leitbild zum Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt Leipzig (Grafik: Stadt Leipzig)

Noch hat das Stadion seine ursprüngliche Größe. Man wird auch mit dem Aufstieg in die erste Liga zunächst mit den vorhandenen Kapazitäten auskommen müssen. Bis ein Ausbau geplant, baurechtlich in trockenen Tüchern und dann auch baulich umgesetzt wäre, dürften wohl noch mindestens drei bis vier Jahre ins Land gehen. Vorstandschef Oliver Mintzlaff räumte kürzlich ein, dass man seit einiger Zeit natürlich auch den Neubau einer eigenen Arena konkret prüfe. In einer Machbarkeitsstudie wolle man klären, ob ein kompletter Neubau generell realisierbar sei. „Wir wollen wissen, wo mögliche Standorte in Richtung Messe oder Flughafen sein können“, sagte Mintzlaff im Interview gegenüber der MZ. Das klingt natürlich schon recht konkret! Betrachtet man sich den in Teilen neu aufgestellten und in Teilen fortgeschriebenen Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt, dann bleiben auch nicht viele Alternativen. Die südliche Stadtperipherie ist überwiegend durch Erholungsnutzung auf rückgebauten Abbauflächen des Braunkohle-Tagebaus und die Wohnnutzung geprägt. Die A38 als Ost-West-Verbindung passiert das Stadtgebiet in gebührender Entfernung. Für die Verkehrserschließung also eher ungeeignet. Ähnlich die Situation am westlichen Stadtrand. Auch hier dominieren Biotopflächen, Wohnbebauung sowie Erholungs- und Wasserareale. Auch die in Nord-Süd-Richtung verlaufende A9 verläuft weit außerhalb des Stadtgebietes. Bleiben nur die nördliche und östliche Peripherie, wo zumindest die schneidende und tangierende A14 als Verbindung zwischen Magdeburg und Dresden eine Grundlage für die Erschließung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) bietet. Der Norden Leipzigs ist durch Gewerbe und Industrie geprägt. Ob ein dortiger Standort mit der querenden Einflugschneise des Flughafens Halle-Leipzig in Frage kommt, ist fraglich. In den Bereichen südlich und nördlich der A14 zwischen der Neuen Messe und dem BMW-Standort wäre ein solches Vorhaben zumindest denkbar. Eine Alternative wäre natürlich auch, das Stadtgebiet gänzlich zu verlassen und im Umland einen Standort zu suchen.

Der aktualisierte neue Flächennutzungsplan  (FNP) der Stadt Leipzig (Grafik: Stadt Leipzig)

Der aktualisierte neue Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt Leipzig (Grafik: Stadt Leipzig)

Dass der österreichische Limonaden-Konzern die finanziellen Mittel hätte ein solches Projekt im Alleingang zu finanzieren, daran hat wohl niemand Zweifel. Das deutsche Planungsrecht allerdings ist komplex. Nicht kompliziert, aber eben komplex und umfangreich. Ob den Machern diese Konsequenz im Hinblick auf den Faktor Zeit so klar ist? Die Stadt wird ein solches Vorhaben nicht ohne vernünftige Anbindung an den ÖPNV mittragen. Würde man den genannten Standortbereich ins Auge fassen, hieße das im Dreieck der Stadtteile Eutritzsch, Thekla und Seehausen Anbindung an die bestehende S-Bahn und die städtischen Bahnlinien 1, 9 und 16. Mit einem Anschluss an eine der S-Bahn-Trassen westlich und südlich der Messe wäre bei der Planung die Deutsche Bahn mit am Tisch. Na dann viel Spaß, Herr Mateschitz, könnte eine langwierige Angelegenheit werden! „Bis in einem solchen Fall die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen wären würden locker 5 Jahre ins Land gehen“, gibt sich Jens-Uwe Boldt vom Stadtplanungsamt im Gespräch realistisch. Der FNP müsste geändert, ein schlüssiges Verkehrskonzept erarbeitet werden, möglicherweise Erkenntnisse des neuen Regionalplanes Westsachsen einfließen, zahlreiche Träger öffentlicher Belange (TÖB) müssten gehört und beteiligt werden. Bis hier endgültig Baurecht erwirkt wäre, sind auch fünf Jahre eher unrealistisch. Ob ein Alternativstandort im Umland das Prozedere beschleunigen würde, ist unrealistisch. Im Übrigen winkt man bei der Leipziger Stadtverwaltung derweil ab. „Das Gerücht um einen Stadion-Neubau ist uns bekannt, aber das Unternehmen hat bisher gegenüber der Verwaltung noch keinerlei Anfrage irgendeiner Art eingereicht“, betont auch Viola Weinhold vom städtischen Planungsamt.

Das aktuelle Stadion der Leipziger; für mehr als 100 Mio Euro zur WM-Arena umgebaut (Foto: RB Leipzig; motivio/Thomas Eisenhuth)

Das aktuelle Stadion der Leipziger; für mehr als 100 Mio Euro zur WM-Arena umgebaut (Foto: RB Leipzig; motivio/Thomas Eisenhuth)

Im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten eines solchen Vorhabens dürfte die Stadt indessen auch kaum gewillt sein, sich in größerem Umfang zu beteiligen. Immerhin rund 9 Millionen Euro hat man seinerzeit zum Ausbau der WM-Arena beigesteuert. Mehr als 50 Millionen Euro übrigens hatte der Bund aus Steuergeldern aufgebracht. Wenn die Leipziger Kicker die WM-Arena verlassen und in ein neues Stadion umziehen würden, dann würde sich nicht nur Herr Klömel herzlich bedanken. Der sonst erfolgreiche Unternehmer hatte schon in den Jahren bis 2010 dran zu knabbern der Arena eine dauerhafte Nutzung oder gar eine wirtschaftliche Auslastung zu bescheren. Kommt uns in Kaiserslautern irgendwie bekannt vor, oder? Glück für Klömel, dass seinerzeit der österreichische Limonaden-Hersteller grade auf der Suche nach einem geeigneten Standort für seine Investitions-Experimente war. Man einigte sich auf eine langfristige Zusammenarbeit und so sind die Brause-Kicker zunächst noch bis 2020 per Mietvertrag an Klömel und seine Betreibergesellschaft gebunden. Die Namensrechte für das Stadion hat man sich gar bis 2040 gesichert. Die letztgenannte Jahreszahl also eher die realistische Zeitschiene für ein neues Stadion und damit erst einmal eine Verlängerung des Mietverhältnisses bis 2040? Wer sich das bisherige Gebaren des sportlich und wirtschaftlich ambitionierten Fußball-Unternehmens vor Augen hält, mag daran nicht glauben.

Blockeinteilung des alten Leipziger ZEntralstadions (Bild: Pittiplatsch/Wikipedia)

Blockeinteilung des alten Leipziger Zentralstadions (Bild: Pittiplatsch/Wikipedia)

Klingt natürlich auch schick, ein Stadion in dieser Größenordnung bauen zu wollen. Aber vielleicht geht halt doch nicht alles und nicht sofort und nicht gleich und nicht jetzt, nur weil genug Geld im Spiel ist. Das ist im Hinblick auf einen demokratischen Planungsprozess auch gut so. Dennoch gibt man sich im Zusammenhang mit der sportlichen Entwicklung des Leipziger Fußball-Projektes auch in der Verwaltung offen. „Als Stadt haben wir natürlich großes Interesse an solchen erfolgreichen Entwicklungen. Das bedeutet schließlich auch eine wirtschaftliche Ansiedlung“, unterstrich im Gespräch auch Kerstin Kirmes, Leiterin des Sportamtes, in dem für die Sportstätten zuständigen Dezernat. „Wenn so ein Vorhaben stadtplanerisch möglich ist, würden wir das auch im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten unterstützen.“ Bis dem so sei, freue man sich allerdings nun erst einmal auf Erstliga-Fußball. Eine Formulierung, die uns übrigens bei allen Gesprächspartnern begegnete, man freue sich auf Erstliga-Fußball. Niemand hat uns gesagt, man freue sich, dass „Rasenballsport Leipzig“ den Aufstieg schaffe. Schon irgendwie komisch, oder?

mg

 


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