Wir werden nicht nachlassen uns Gehör zu verschaffen
Gelsenkirchen Gastgeber der 18. Tagung der Queer Footballfanclubs – Weichen für eine gewichtige Stimme in der Zukunft gelegt.
Nach der Gründung zur WM 2006 fand das Netzwerk der Queer Football Fanclubs bereits zum 18. Mal zu seinen regelmäßigen Tagungen zusammen. Ausrichter für die Frühjahrstagung im Jahr 2016 war „Andersrum auf Schalke„. Immerhin 111 Teilnehmer aus 21 Mitgliedsorganisationen waren zu dem dreitägigen Kongress ins Ruhrgebiet gereist, um ein umfangreiches Tagungsprogramm abzuarbeiten. Die lange Agenda hielt Themen vor, die insbesondere interne Aufgaben berührte, wie die Satzungsreform, Berichte oder Ergänzungswahlen. Im Fokus standen jedoch auch die Internationalisierung des Netzwerkes und international zu positionierende Themen, deren Erfolg eben deutlich von der Geschlossenheit und der gemeinsamen Arbeit auch über Länder- und Verbandsgrenzen hinweg beschieden sein wird. Ergänzt und aufgelockert wurde das Wochenende durch ein abwechslungsreiches, interessantes und geschickt platziertes Rahmenprogramm, das dazu beitrug die Veranstaltung lebendig aufzulockern und den Delegierten zwischen den anstrengenden Arbeits-Blöcken einiges an Kurzweil zu bieten.
Bereits am Freitagabend wurde den Delegierten Diskussionslaune abverlangt. Zwei wichtige Themen standen im Rahmen der Kamingespräche auf dem Programm. Einmal der mit dem DFB abgebrochene Dialog in der AG Fanbelange. Dann natürlich die Reaktion der FIFA auf das Schreiben des QFF-Netzwerkes zur ethischen Verantwortung bei der Vergabepraxis zur Ausrichtung der FIFA-Weltmeisterschaften. Bereits bei der QFF-Tagung in Zürich war die Entscheidung gefallen hier von Seiten der Mitgliedsorganisationen deutlich Position zu beziehen, die Herren in der FIFA-Zentrale an ihren eigenen Wertekatalog zu erinnern und diesen entlang der bisherigen Vergabepraxis auf den Prüfstand zu stellen. Eine weltweite Kritik richtet sich hier insbesondere an die Entscheidung zur Vergabe der Weltmeisterschaften in den Jahren 2018 nach Russland und 2022 nach Katar. Das Antwortschreiben der FIFA-Zentrale ließ (lediglich) 6 Wochen auf sich warten. So mancher hatte erwartet, dass gar keine Reaktion kommen würde. Immerhin ein Zeichen, dass man das QFF-Netzwerk in Zürich zumindest wahrnimmt. Im Laufe der Diskussion sprach sich die Mehrheit der Delegierten in der Runde energisch dafür aus, hier weiter am Ball zu bleiben. Vor allem in Detailtiefe vorzuführen und aufzuzeigen, dass man mit den für 2018 und 2022 getroffenen Entscheidungen dem Grunde nach gegen den eigenen Wertekatalog verstößt. „Hier dürfen wir nicht nachlassen, hier sollten wir mit Wadenbeisser-Mentalität am Ball bleiben und zeitnah auch den nächsten Schritt gehen“, so unter anderem Sven Kister vom amtierenden Sprecherrat.
Im Oktober 2015 hatten die QFF bekanntgegeben, dass man zusammen mit den unabhängigen Fanorganisationen ProFans, UnsereKurve und F_in Netzwerk Frauen im Fußball innerhalb der Kommission Sicherheit, Prävention und Fußballkultur beim Deutschen Fußball Bund (DFB) den gemeinsamen Dialog beendet habe. Sprecherratsmitglied Dirk Middeldorf berichtete noch einmal ausführlich über das Zustandekommen der Entscheidung. Die genannten Organisationen bleiben selbstverständlich interessiert und zeigen sich auch bereit den Dialog wieder aufzunehmen. Allerdings wurde auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die gemeinsame Umsetzung von Aufgaben und Inhalten in Zukunft deutlich ernsthafter und sichtbarer zu betreiben ist. Der Umgang des DFB mit dem Gremium erzeugte in der Vergangenheit doch mehr Irritation, als dass man hier vom Erreichen von Zielen sprechen könnte. Jedenfalls mussten Ernsthaftigkeit und Wille zum Fortschritt auf DFB-Seite doch stark in Zweifel gestellt werden. Hier waren sich die Beteiligten einig, dass man zunächst die Neubesetzung des Präsidiums in der Frankfurter Zentrale abwarten müsse. Die Bereitschaft der genannten Interessenvertretungen den Dialog wieder aufzunehmen sei allerdings durchweg da, so Dirk Middeldorf. Es müsse sich aber einiges ändern, wenn man sich wieder gemeinsam an einen Tisch setze. Die vielfältigen kreativen Ideen aus allen Interessenvertretungen heraus verdienen Respekt und Anerkennung in der Praxis, nicht stures Aussitzen oder peinlich anmutendes Taktieren.
Der Samstag stand ganz im Zeichen dreier Workshops am Vormittag und der eigentlichen Vollversammlung der Delegierten am Nachmittag. In Gruppen wurde ab dem frühen Morgen die am Nachmittag zur Entscheidung anstehende Satzungsreform diskutiert, die eine Arbeitsgruppe in den zurückliegenden Monaten akribisch vorbereitet hatte. Mit der beschlussfähigen Vorlage sollte der Grundstein gelegt werden in Zukunft die Gemeinnützigkeit anzustreben und das Netzwerk gegebenenfalls als eingetragenen Verein zu führen. Trockene Materie und nicht jedermanns Sache, aber notwendig und wichtig. Ein zweiter Workshop befasste sich mit kreativen Ansätzen eines künftigen Merchandising und dem Vorentwurf eines Wanderbanners, das künftig durch die Stadien der Ligen reisen soll. Hier wird sicher im Nachgang zur Tagung in Gelsenkirchen viel Zeit zu investieren sein. Der Workshop konnte hier aber sehr brauchbare Startup-Ideen auf den Weg bringen, die es nun zu verfeinern gilt. Im dritten Workshop stand die Aufgabe der Planung und Umsetzung künftiger Aktionen im Vordergrund. Vor allem das internationale Publikum aus den Niederlanden, England, Norwegen und der Schweiz fand sich hier zahlreich vertreten. Eine Mammut-Aufgabe wird in den kommenden Jahren auf QFF warten, wenn es um das Motto Go East darum gehen wird in Osteuropa Fuß zu fassen.
Die aktuelle politische Entwicklung in Ländern wie Polen und Russland wird das nicht einfacher machen. Hier werden kluge und durchdachte Aktionen sowie mutige Menschen benötigt werden, um in den jeweiligen Ländern sichtbare und möglichst nachhaltige Akzente zu setzen. Das wird natürlich und insbesondere auch für die zeitlich noch weit entfernte WM in Katar im Jahre 2022 gelten. Aber auch die künftigen Beteiligungen und Auftritte bei den CSD-Veranstaltungen der kommenden Jahre waren Gegenstand der Diskussionen am Samstag. Nicht nur in Deutschland (zum Beispiel Berlin), sondern beispielsweise auch auf der Insel jenseits des Ärmelkanals (Manchester oder London) bieten einen viel beachteten Rahmen dem Thema von QFF eine entsprechende Bühne zu geben. Hierzu konnte man sich interessante Erfahrungsberichte aus England zum Thema „Football versus Homophobia“ und dem dort seit 2010 etablierten „Action Month“ holen.
Die Grußworte des Oberbürgermeisters der Stadt Gelsenkirchen, Frank Baranowski, von Sebastian Buntkirchen, Geschäftsführer des Stiftungsprojektes „Schalke hilft“ und Schalke 04-Fanbeauftragter Thomas Kirschner läuteten dann am frühen Nachmittag den Auftakt zur eigentlichen Vollversammlung ein. Höhepunkt hier sicher der tränenreiche Abschied von Patrick Maas aus Köln, der nach 9 Jahren sein Amt als Kassierer der QFF aus persönlichen Gründen zur Verfügung stellte. Die Entlastung war hier reine Formsache und von allen gebührt hier noch einmal aufrichtiger Dank für 9 Jahre hervorragende Arbeit und engagierte Unterstützung. Als Nachfolger wurde Michael Voit von „Andersrum auf Schalke“ gewählt. Nahezu Formsache waren dann trotz lebhafter Aussprache und Diskussion die finalen Beschlüsse zur Reform der QFF-Satzung. Aufgelockert wurde das dichte Programm durch die Präsentation des runderneuerten Fanmagazins und den Einblicken zum bevorstehenden Relaunch der QFF-Webseite. Höchst informativ natürlich auch die Berichte der Kollegen und Kolleginnen aus den Niederlanden (Roze Regahs). Aber auch die Football-Supporters-Europe (FSE) gaben mit dem Bericht zum Meeting „anti-discrimination-division“ in München im Spätjahr 2015 Einblick in die vielfältige Arbeit europäischer Interessenvertretungen.
Über die Vergabe für die QFF-Tagung im Frühjahr 2017 wird erst Ende des Jahres entschieden, während sich die Rainbow-Borussen mit einer überzeugenden Video-Bewerbung bereits die Ausrichtung der Tagung im Herbst 2017 sicherten. Wir freuen uns drauf! Thorsten Siebert (Fußballfans gegen Homophobie) gab den Delegierten zum Abschluss einen umfassenden Einblick in die Planungen zur nächsten Tagung im Oktober 2016 in Berlin. Wie die Hauptstadt, alles ein bisschen größer. Vom 5. bis 9. Oktober wird die „Football Pride Week“ den Delegierten neben QFF-Belangen noch manch anderen Einblick bieten, wenn auch das FFGH-Netzwerktreffen und das FSE-Meeting mit auf dem Programm stehen.
Damit endete eine gelungene und ergebnisreiche Konferenz mit einem ganzen Rucksack voller Aufgaben und Arbeiten, die es nun in den kommenden Wochen und Monaten abzuarbeiten gilt. Man darf auf die ersten Ergebnisse zur nächsten Tagung gespannt sein. Berlin, wir kommen!
mg
Ist korrigiert. Danke… 🙂
Der Bürgermeister heisst Baranowski 😉