Von Corporate Social Responsibility bis zur Sammelbüchse
Lebhafte Diskussion rund um das soziale Engagement von Vereinen und Fans
Interessante Fakten und kritische Anmerkungen zum sozialen Engagement der Profivereine im deutschen Fußball und dem Profisport allgemein gab es bei der gestrigen Veranstaltung im Presseraum des Fritz-Walter-Stadions. Ronny Blaschke, Journalist und Buchautor, Sport- und Politikwissenschaftler, gab tiefe Einblicke in die Rechercheergebnisse zu seinem neuen Buchtitel „Gesellschaftsspielchen“. Rund 25 Besucher lauschten aufmerksam beeindruckenden, aber auch ernüchternden Zahlenspielen rund um die Geldmaschine Fußball-Bundesliga, die sich bisweilen auch anschickt eher bescheidene Euro-Beträge aus dem Millionenspiel in sozialen Projekten ganz unterschiedlicher Facetten unterzubringen. Corporate Social Responsibility lautet das zentrale Zauberwort, wenn sich Profivereine entlang ihrer Millionenetats auch Investitionen rund um ihr gesellschaftliches Umfeld auf die Fahnen schreiben. Nicht immer überzeugend, nicht immer nachhaltig, bisweilen gar mit auffälligen Widersprüchlichkeiten behaftet.
Immerhin 28 Millionen Euro gaben die Profivereine der DFL im Jahr 2016 im Rahmen ihres sozialen Engagements und damit verbundenen Projekten aus. Was auf den ersten Blick signifikant aussehe, mutet bei einem Gesamtumsatz von rund 3,24 Milliarden Euro, also einem Anteil von nicht einmal einem Prozent, eher bescheiden an. In der Tat spielt so gesehen das soziale Engagement der Ligavereine eher eine untergeordnete Rolle. Vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die sich der Sport und insbesondere der Fußball gerne auf die Fahne schreibt, jedoch definitiv zu wenig. Vor allem, wenn man sich die gigantischen Umsätze vor Augen hält. Ein Lösungsansatz könnte sein, dass ein gewisser prozentualer Umsatzanteil beim Lizenzierungsverfahren quasi ein verpflichtender Bestandteil werden könnte, schlug Ronny Blaschke in seinem einführenden Vortrag vor. Da täte sich der eine oder andere Verein bei der Umsetzung zwar vielleicht schwer, aber durch einen so gearteten Pflichtanteil würden durch finanziell besser gestellte Vereine, wie beispielsweise den Krösus FC Bayern München, ungeahnte Summen frei!
Dabei wird selbst bei umsatzschwächeren Vereinen bereits herausragendes Engagement abgeliefert. Positives Beispiel auf dem Tummelplatz sozialer Projekte, ist für den Autor der SV Werder Bremen. Immerhin 10 Mitarbeiter kümmern sich dort um viele kleine aber feine Nischenprojekte, die ganz unterschiedliche Altersgruppen ansprechen und soziale Ausprägungen widerspiegeln. Aber auch dort ist nicht alles Gold, was glänzt. So war die Verpflichtung des Trikotsponsors Wiesenhof Hähnchen wochenlang hitzig diskutiert worden. Nicht nur rund um den grün-weißen Verein von der Weser. Soziales Engagement auf der einen Seite, ein Markenname, der für skrupelloses Renditedenken steht, das auf dem Rücken des Tierwohls ausgetragen wird, auf der anderen Seite. Aber solche Widersprüchlichkeiten leisten sich auch noch namhaftere Vereine.
Beispielsweise der Liga-Primus FC Bayern München. Auf der einen Seite erinnert man gerne an den jüdischen, von den Nationalsozialisten verfolgten und später emigrierten, Altpräsidenten Kurt Landauer und engagiert sich auch regelmäßig gegen Rechtsextremismus. Auf der anderen Seite hofiert man im Rahmen eines Trainingslagers seit Jahren Länder in der Golfregion, deren Politik vor Antisemitismus und einer rigiden Israelfeindlichkeit nur so strotzen. Abgesehen davon, dass ein Aufenthalt in Saudi Arabien völlig inakzeptabel sei, so könne man als Verein mit Weltformat zwar durchaus in andere Golf-Anrainerstaaten reisen, sollte sich allerdings mal überlegen ob man sich dort nicht anders positionieren müsse, so Blaschke mit Blick auf die bereits mehrfach kritisierten Bayern-Aufenthalte beispielsweise in Katar. Die Vereine lassen hier regelmäßig Chancen ungenutzt, sich mit dem Geschehen rund um den Fußballzirkus auch abseits des grünen Rasens vielfältiger und möglicherweise wirkungsvoller einzubringen.
Bisweilen sorgen auch Impulse von außen denVereinen auf die Sprünge zu helfen. Die Einnahmen aus einem Trikotsponsoring müssen für einen Proficlub beispielsweise nicht der alleinige Benefit sein. Manchmal muss man Steilpässe, die sich imageträchtig verwerten ließen, auch erst mal erkennen oder sich erklären lassen. Als Mainz 05 zur Saison 2011/2012 bei der Suche nach einem Trikotsponsor mit dem jungen aufstrebenden Energieversorger entega einig wurde, war es der Partner, der den Machern in der Landeshauptstadt die Wirkungsweise von Nachhaltigkeit auf das Club-Image näher brachte. Mit der Kampagne „Mission Klimaverteidiger“ wurde in der Landeshauptstadt laut Ronny Blaschke jede Büroklammer umgedreht. Verbunden mit dem Ziel, mit dem sogenannten CO2-Fußabdruck des Öko-Institutes Darmstadt, Anstrengungen auf den Weg zu bringen, durch die deutliche Einsparungen beim CO2-Ausstoß rund um den Verein aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erzielt werden sollten und auch letztlich erzielt wurden. Ein nachahmenswertes Wirkungsbeispiel, das man vermutlich auch auf andere soziale Erfordernisse projizieren kann, wenn sich nur geeignete Partner finden.
Neben einigen guten Beispielen für das Engagement von Vereinen und Verbänden, wusste Ronny Blaschke natürlich auch von Initiativen durch Einzelpersonen zu berichten, die aufgrund ihres Bekanntheitsgrades, ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten oder einer Mischung aus beidem, häufig das Heft in die Hand nehmen und beispielsweise Stiftungen gründen. Nicht selten aber auch hier mehr Schein als Sein. Bei denen, die Gutes tun ist allerdings nicht immer alles in der Öffentlichkeit bekannt. Nicht alles tragen die Akteure ins Rampenlicht, sondern scheuen mit ihren Initiativen die Publicity eher. Philipp Lahm beispielsweise, engagiert sich seit Jahren in Afrika, das ist kaum bekannt. Ebenso der Dortmunder Profi Neven Subotic, der als Leihspieler derzeit beim rheinischen FCK kickt. Dessen Projekte, die für sicheren Zugang zu sauberem Wasser in afrikanischen Ländern sorgen, dürften jedoch schon einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sein. Jedem geläufig ist sicher auch das soziale Engagement des in Fankreisen oft so gescholtenen Milliardärs Dietmar Hopp, der nach Aussage des Autors mit Infrastrukturinvestitionen, zumindest gefühlt, schon ganze Städte zu bauen scheint.
Vieles was sich an sozialen Initiativen rund um den Fußball oder den Profisport bewege, geschehe tatsächlich abseits großer Bühnen und sei in der Öffentlichkeit gar nicht bekannt. Speziell wenn Faninitiativen oder Fanclubs sich zu dem Thema einbringen. Erich Huber, vom Fanclub Fairplay, führte als Podiumsteilnehmer in der anschließenden Diskussion auch einige Beispiele an, die der Vorzeige-Fanclub des FCK in Sachen soziales Engagement in den zurückliegenden Jahrzehnten auf den Weg gebracht hat. Dies dann immer an die große Glocke zu hängen, war und sei dabei überhaupt nicht wichtig. Die Kleinteiligkeit der Initiativen aus den Fangemeinden sei in der Summe jedoch ein nicht zu unterschätzender Faktor, so die Wahrnehmung des Vorsitzenden der Queer Devils. Die Schwierigkeit bei kleinen Fanclubs etwas anzustoßen und dies erfolgreich umzusetzen, liege darin, immer wieder die eigenen Leute motiviert zu bekommen. „Es sind halt immer wieder dieselben Verdächtigen, die in einem Fanclub die Ärmel hochkrempeln“, bestätigte auch Erich Huber, der neben seinem Engagement im Fanclub mit Beginn der letzten Saison auch das Amt des Behindertenfanbeauftragten beim 1.FCK übernommen hat.
Ähnlich gelagert ist auch das Engagement zahlreicher Ultra-Gruppen. Auch in Kaiserslautern. Laut Ronny Blaschke übrigens eine wichtige Säule in der Fanszene, wenn es um soziale Projekte geht. Vieles davon auch wieder abseits der Öffentlichkeit. Schade ist hier nur eines. Während die Performance zahlreicher Ultra-Gruppen auf den Tribünen vieler Stadien landauf und landab in schöner Regelmäßigkeit medial ans Kreuz genagelt werde, nehme kaum jemand zur Kenntnis, was dort auch abseits des grünen Rasens an sozialem Engagement geleistet werde. Ganz zu schweigen davon, dass sich kaum jemand wirklich damit auseinandersetze, was Ultra-Kultur überhaupt kennzeichne und auch auszeichne. „Dort sind so viele politisch interessierte junge Menschen engagiert, die sich in so großartiger Weise in der Gesellschaft als kritisch denkende Menschen auszeichnen. So weit war ich in dem Alter, als ich in den 1990er Jahren in Rostock in der Kurve stand noch nicht“, räumte Ronny Blaschke anerkennend ein.
Übrigens ist auch vieles von dem, was beim 1.FCK während einer Saison auf den Tisch kommt, wenig bekannt. Hohen Bekanntheitsgrad hat natürlich das Sozialprojekt „Betze-Engel“, bei dem und für das sich der FCK seit Jahren auch professionell einbringt. FCK-Pressesprecher Stefan Roßkopf berichtete aber auch darüber, dass jährlich weit mehr als 400 Anfragen beim Verein eingingen, bei denen der FCK um Unterstützung gebeten werde. „Nicht alle können wir und nicht alle wollen wir bedienen, wir wägen da schon ab. Im letzten Jahr waren es dennoch nahezu fast 300 Anfragen, die der Verein unterstützt hat“, so der frühere Fanbeauftragte des Betzenberg-Clubs. Leider finde soziales Engagement des Vereins auch nicht immer Zustimmung in der Fanszene. Es sei schade, wenn man zwei Tage nach einer Niederlage der Mannschaft beispielsweise gerne über eine vom FCK unterstützte Veranstaltung von „Mama, Papa hat Krebs“ berichten würde, sich aber dabei ertappe die Publikation zu scheuen, weil man in den sozialen Netzwerken mehrheitlich negative bis hin zu beschämenden Kommentaren fürchte.
Eine ziemlich krasse Kausalkette, wenn man sich dies vor Augen hält. So mancher Internetnutzer täte gut daran, den Denkapparat zu bemühen, bevor man reflexartig kommentiert und sich in der gewonnenen Zeit lieber über die Wertschöpfung des Begriffes „sozial“ und über die Wertewelt eines 1.FC Kaiserslautern informieren. Jedenfalls ist es das exakte Gegenteil von „sozial“, wenn man im Zusammenhang mit dem sozialen Engagement eines Proficlubs mit Beschimpfungen in Bericht-Kommentaren aufwartet. Bevor nun auch hier wieder möglicherweise der FCK verbal Prügel einstecken muss, das ist die Meinung des Verfassers dieses Berichtes!
Am Ende der gut zweistündigen Veranstaltung waren sich alle Beteiligten einig, dass die Thematik unzählige Facetten beinhaltet, die auch am Ende des gestrigen Tages noch lange nicht zu Ende diskutiert waren. Doch wer sich hier weitergehender informieren möchte und gestern nicht dabei sein konnte, der kann sich das Buch von Ronny Blaschke ja zu Gemüte führen, das selbstverständlich auch im Buchhandel erhältlich ist.
mg
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