Leidenschaft unterliegt spielerischer Klasse
Der 1.FCK geht nach Pokal-Aus gegen den VfB Stuttgart mit erhobenem Haupt vom Platz
Abgesehen vom Ergebnis, war das gestern ein toller und stimmungsvoller Pokal-Abend am Betzenberg. Zwar unterlag der 1.FCK mit 1:3 gegen Bundesliga-Aufsteiger VfB Stuttgart, zeigte im Vergleich zu der pomadigen Liga-Partie am vergangenen Sonntag aber eine enorme Leistungssteigerung. Die Roten Teufel lieferten gegen die Schwaben einen tollen und leidenschaftlichen Pokal-Kampf, bei dem streckenweise auch spielerische Momente glänzten. Der FCK ging in der 7. Minute durch eine sehenswerte Direktabnahme von Lukas Spalvis mit 1:0 in Führung, ehe die Stuttgarter durch einen zweifelhaften Strafstoß egalisieren konnten. Daniel Ginczek traf vom Punkt. Im zweiten Durchgang setzte sich dann die spielerische Klasse der Gäste durch. Die Schwaben erhöhten durch den quirligen Chadrac Akolo (66.) und den eingewechselten Simon Terodde (71.) auf 1:3 und gingen letztlich verdient als Sieger vom Platz.
Leider nur 28.322 offizielle Besucher wollten die Pokal-Begegnung zwischen dem 1.FCK und dem VfB Stuttgart sehen. Ein Hauch von erster Liga lag in der Luft, als die Mannschaften gestern unter der Leitung von Schiedsrichter Patrick Ittrich aus Hamburg den Platz betraten. Beide Fanlager verliehen der Kulisse mit sehenswerten Choreographien einen beeindruckenden Anstrich. Die Stuttgarter markierten mit zahlreichen weiß-roten Schwenkfahnen den Gästebereich, während auf der Gegenseite ein Meer an rot-silbrigen Kunststoff-Glanz-Fähnchen der Westtribüne bis unters Dach einen glanzvollen Anstrich verlieh. Unterstrichen von einem vor dem Zaun entrollten Transparent mit der Aufschrift „Auch in dunklen Zeiten soll dein Glanz niemals vergehen“. Dahinter setzten mehrere Pyrofackeln mit Lichtblitzen zusätzliche optische Reize. Eine eindrucksvolle Szenerie, die an höllische Momente aus längst vergangenen Tagen erinnerte. FCK-Altpräsident Norbert Thines kommentierte denn auch die Darbietung mit wässrigem Blick mit den Worten, „ach, des is awwer schää“. Den FCK-Verantwortlichen dürfte die Auftakt-Show und das weitere Abbrennen von Bengalos im zweiten Durchgang allerdings wieder die eine oder andere Sorgenfalte ins Gesicht getrieben haben. Man darf auf die Reaktion aus der DFB-Zentrale gespannt sein!
Cheftrainer Jeff Strasser hatte, wie im Vorfeld angekündigt, die Mannschaft kräftig durchgemischt. Erstmals von Beginn an stand Jan Ole-Sievers für den FCK in einem Pflichtspiel im Tor. Außerdem rückten Leon Guwara, Nils Seufert, Baris Atik, Nicklas Shipnoski und Lukas Spalvis in die Startelf. Man wolle die Pokalpartie zwar nicht schon im Vorfeld abhaken, sondern eine engagierte Leistung abliefern und die Chance suchen. Da können neue Gesichter auf dem Platz durchaus auch beleben. Er sollte Recht behalten. Vor allem die Youngsters Nicklas Shipnoski und Nils Seuffert lieferten ein großartiges Spiel ab, Jan Ole Sievers stand hinten sicher und ließ durchblicken, dass auch mit ihm ein weiterer Roh-Diamant aus der flugschule von Gerry Ehrmann schon in den Startlöchern scharrt. Auch der litauische Nationalspieler Lukas Spalvis rechtfertigte seine Nominierung mit einem Einstand nach Maß. In der 7. Minute schickte Benjamin Kessel mit einem weiten Ball Nicklas Shipnoski. Dessen Hereingabe konnte der Stuttgarter Benjamin Pavard per Kopf nur sehr ungenau zurücklegen. Die mitgelaufene Leihgabe von Sporting Lissabon fackelte nicht lange und hämmerte das Leder aus gut 15 Metern halbhoch neben dem linken Pfosten ins Netz. Der Betzenberg bebte!
Die Schwaben zeigten sich aber auch nach der FCK-Führung in Minute sieben unbeeindruckt. Die spielerische Überlegenheit der Gäste war zwar deutlich sichtbar, aber das machten die Jungs von Jeff Strasser durch leidenschaftlichen Einsatz wieder wett. So entwickelte sich vor allem im ersten Durchgang ein abwechslungsreiches und rassiges Pokal-Match, mit zahlreichen Chancen auf beiden Seiten. Die Gäste hätten allerdings schon kurz nach dem Anpfiff in Führung gehen können. Takuma Asano scheiterte am Lauterer Keeper, Emiliano Insua lederte die Kugel im Anschluss an den Außenpfosten (3.). Glück für den FCK. Auch nach dem Spalvis-Treffer hätte der VfB schon im Gegenzug egalisieren können, aber Chadrac Akolo setzte in aussichtsreicher Position einen Kopfball über den Kasten (8.). Dem Kongolesen bot sich wenige Minuten später die nächste Möglichkeit, aber freistehend vor dem Tor rutschte er aus (15.). Chance vertan. Im Gegenzug war es der quirlige Baris Atik, der nach einem beherzten Flankenlauf von Philipp Mwene per Kopf nur knapp das Ziel verfehlte (16.).
In der 21. Minute war es dann allerdings so weit. Joel Abu Hanna unterlief einen Ball, Takuma Asano marschierte. Beim Nachsetzen traf der 19-jährige Ex-Leverkusener den Stuttgarter zwar kurz vor der Strafraumkante, doch da dieser im Sechzehner landete, zeigte der Unparteiische nach kurzer Mikro-Rücksprache mit dem Mann an der Seitenlinie auf den Punkt. Daniel Ginczek ließ sich nicht lange bitten und netzte zum Ausgleich ein. Auch in der Folge kamen die Zuschauer beider Lager auf ihre Kosten und sowohl auf dem Rasen als auch auf den Tribünen lieferten die Akteure eine rassige Darbietung ab. Auf Stuttgarter Seite schoss Daniel Ginczek in der 30. Minute knapp drüber, Santiago Ascacibar kratzte einen Kopfball von Stipe Vucur gerade noch so von der Linie, Baris Atik vergab beim Nachschuss (36.). Andreas Beck zögerte für den VfB aus bester Lage zu lange (40.), Holger Badstuber vergab einen aussichtsreichen Freistoß (42.) und erneut Stipe Vucur köpfte in der Nachspielzeit einen Ball äußerst knapp rechts am Tor vorbei (45.+1). Mit dem umkämpften Remis ging es in die Kabine.
Mit Beginn der zweiten Hälfte brachte Jeff Strasser dann Giuliano Modica für den angeschlagenen Benjamin Kessel. Der gebürtige Argentinier sorgte mit einem kapitalen Fehler gleich für einen Aufreger. Chadrac Akolo, der frei vor dem Lauterer Kasten auftauchte, scheiterte aber am Lauterer Torsteher (46.). Danach verflachte die Partie ein wenig, das Geschehen spielte sich weitestgehend im Mittelfeld ab. Fast aus dem Nichts dann die Führung der Gäste. Nach einer Hereingabe von Andreas Beck in den Rücken der Abwehr schoss Chadrac Akolo das Leder platziert neben dem langen Pfosten ins Netz (66.). Schade, dass der Schiedsrichter das vorangegangene Foul an Baris Atik nicht ahndete! Nur fünf Minuten später glänzte der kurz nach Wiederanpfiff eingewechselte Simon Terodde mit einer gekonnten Einzelaktion. Nach einem feinen Zuspiel umspielte der VfB-Stürmer in der 71. Minute Jan-Ole Sievers und erhöhte humorlos auf 1:3. Vom Ergebnis her mochte die Luft raus sein, aber der FCK steckte nicht auf und ackerte tapfer weiter.
Jeff Strasser brachte mit Sebastian Andersson für den leidenschaftlich agierenden Nicklas Shipnoski eine weitere frische Offensivkraft. Die Roten Teufel versuchten immer wieder in der Vorwärtsbewegung Nadelstiche zu setzen und waren durchaus am Anschlusstreffer dran. Allein Baris Atik hätte noch zweimal einnetzen können, scheiterte aber an Keeper Ron Robert Ziegler (76. und 77.). Nur wenige Minuten später jagte dann Christoph Moritz das Leder aus der Distanz nur knapp über das Stuttgarter Gehäuse (80.). Letztlich blieb es beim unterm Strich verdienten 3:1 Sieg der Schwaben, die spielerisch einfach mehr vom Konto abrufen konnten. Dennoch waren sowohl Spieler, Verantwortliche und auch Fans nicht unzufrieden mit dem Auftritt ihrer Mannschaft.
Vor allem die an den Tag gelegte Einstellung und Mentalität machen Mut für die kommenden Wochen, wenn es darum geht im Abstiegskampf die notwendige Wende herbeizuführen. Insofern stand schon kurz nach dem Abpfiff die kommende wichtige Ligapartie bei Jahn Regensburg im Fokus. „Die Aggressivität und Mentalität brauchen wir in Regensburg“, kündigte Baris Atik den Willen zu einer anderen Gangart als am letzten Sonntag an. Auch für Jeff Strasser ist klar, dass die Mannschaft wissen müsse, dass das die Mentalität für die ganze Saison sein muss. „Hätten wir diese Moral am Sonntag gezeigt, hätten wir gegen Duisburg nicht verloren“, resümierte der Cheftrainer nach dem Pokal-Aus. Zwei Erkenntnisse des gestrigen Abends machen in der Tat Mut. Einmal hat die Mannschaft gezeigt, dass sie viel mehr drauf hat, als bei der unterirdischen Leistung gegen Duisburg.
Zum anderen ist es ein gewichtiger Hoffnungsschimmer, dass mit den gestern eingesetzten jungen Talenten die eigene Nachwuchsarbeit wertvolle Früchte zu tragen scheint. Immerhin scharren neben Jan-Ole Sievers, Nils Seuffert und Nicklas Shipnoski längst weitere talentierte Akteure mit den Hufen. Lennart Grill, Patrick Salata, David Tomic, Valdrin Mustafa und Torben Müsel haben bereits Profiverträge. Aber auch die Namen Lukas Gottwalt, Christian Kühlwetter oder Dylan Esmel, die derzeit in der U23 Duftmarken setzen, sollte man nicht aus den Augen verlieren. Jeff Strasser hat mit seiner Aufstellung gestern Mut gezeigt und ist sicher damit auch ein Risiko gegangen. Es hat zwar nicht zum Weiterkommen im Pokal gereicht, aber allein von der Leistung her haben die Jungs ihm dafür etwas zurückgegeben. Das zeigt auch, dass er mit den jungen Kerlen gut umgehen kann. Doch vor allem Optimismus in Richtung Nachwuchszukunft, stehen nun erst einmal die harte Arbeit und der damit verbundene Schweiß, um das allerdringlichste Problem zu lösen. Möglichst schnell raus aus dem morastigen Tabellenkeller. Auf nach Regensburg!
mg
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