Ein Ball, ein Spiel, eine Idee, ein Projekt
Ein tolles Fußball-Integrationsprojekt aus Neustadt ist dritter Gewinner beim ToG-Preis
Wir hatten in den zurückliegenden Tagen bereits zweimal zu Gewinnern des „Tribüne-ohne-Grenzen“ Preis berichtet. Der dritte Preisträger im Bunde ist der „FC Welcome Neustadt“. Eine simple aber lobenswerte Initiative, die in Neustadt an der Weinstraße ihren Anfang nahm. Als im Sommer 2015 der Flüchtlingsstrom in Deutschland ungeahnte Dimensionen annahm, war dies auch in der Pfalz für viele Kommunen eine Herausforderung. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war überdurchschnittlich groß. Auch die beiden Initiatoren hatten das Bedürfnis sich zu engagieren und etwas für geflüchtete Menschen zu tun. Entstanden ist ein Fußballprojekt, das zunächst für Flüchtlinge in einer Sammelunterkunft in Neustadt gerichtet war. Dabei spielt es für die Initiatoren bis heute keine Rolle aus welchem Land die Menschen kommen, welcher Religion sie angehören oder welchen Aufenthaltsstatus sie haben. Ihr Projekt mit dem Titel „FC Welcome Neustadt“ begann mal mit acht Fußballbegeisterten, ist aber mittlerweile sichtbar gewachsen. Zu den regelmäßigen Kick-Terminen kommen längst auch Flüchtlinge aus Haßloch oder Lambrecht. So tummeln sich mittlerweile rund 30 Freizeitkicker, um einmal pro Woche bei Spaß am und mit dem runden Leder für ein bis zwei Stunden persönliche Erlebnisse ausblenden zu können.
Das nun mit dem ToG-Preis ausgezeichnete Projekt ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie nachhaltig hilfreich auch einfache Maßnahmen sein können. Tim (28) und sein ehemaliger Kommilitone Christian (28) haben in Landau Sozialwissenschaften studiert. Die Flüchtlingswelle, die seit Ende 2014 übers Land schwappte, hat die beiden motiviert die Ärmel hochzukrempeln und etwas zu tun. Aber was? „Wir haben uns mit dem AK-Asyl in Neustadt in Verbindung gesetzt und nachgefragt. Das gezeichnete Bild, die Leute würden da in ihrer Unterkunft eigentlich nur rumsitzen und seien zum Nichtstun verurteilt, hat uns auf eine Idee gebracht. Wir haben einen Ball unter den Arm geklemmt und sind da einfach hingegangen“, berichtet Tim, selbst bekennender und leidenschaftlicher Fan des 1.FCK. Man sei trotz anfänglicher Verständigungsschwierigkeiten sehr herzlich empfangen worden. Bei Kaffee und entspannten Gesprächen habe sich die Situation dann auch schnell entkrampft. Schließlich ging es mit dem Ball auf einen nahe gelegenen Bolzplatz und man habe gemeinsam gekickt. Herrlich, wie einfach das runde Leder über alle Grenzen hinweg verbinden kann! Die gemeinsame Zeit auf dem Bolzplatz habe Spaß gemacht und so sei daraus eine lockere Regelmäßigkeit entstanden, die unter den Flüchtlingen ankam.
Für die beiden war schnell klar, um die Idee auf stabile Füße zu stellen, müssen Partner mit an Bord. Zunächst sei es gelungen einen Hersteller und Händler von Sportartikeln und Sportgeräten zu gewinnen. So konnte man fortan auf einem Kunstrasenplatz einer nahegelegenen Filiale einer namhaften französischen Handelskette kicken. Die Initiatoren bemühten sich um weitere Unterstützung und hatten Erfolg. Auch der 1.FC Kaiserslautern, ein weiteres lokales Unternehmen, natürlich der Arbeitskreis humanitäre Hilfe für Asylbewerber e.V. Neustadt, eine Neustädter Schule und die Stadt Neustadt halfen tatkräftig mit. Im September 2015 beispielsweise hatte der 1.FCK die Freizeitkicker und ihre Initiatoren zu einem Heimspiel auf den Betzenberg eingeladen. Neben der bis dahin willkommenen Abwechslung selbst an den Ball zu treten, war der Besuch im Fritz-Walter-Stadion für alle Beteiligten ein unvergessliches Erlebnis! Eine echte Herausforderung schien dann der herannahende Herbst. Spätestens im Winter würde die Witterung der Regelmäßigkeit beim Kicken ganz sicher einen Strich durch die Rechnung machen. Eine Hallenbelegung musste her. Doch hier hat die Stadt Neustadt unbürokratisch geholfen und dem Projekt einen Hallentermin ermöglicht. „Wenn man weiß, wie schwierig es heutzutage ist, noch freie Hallentermine zu bekommen, dann ist das nicht selbstverständlich“, zollt Tim hier den Verantwortlichen der Stadt ein großes Lob. Aber genau darauf sind die Initiatoren bis heute angewiesen. Immerhin ist die Initiative nicht auf Vereinsstrukturen gebaut, auch wenn die Projektbezeichnung das vermuten lassen könnte. Insofern müssen die Initiatoren ganz ohne fixes Jahresbudget auskommen und sind auf jede Art von materieller oder immaterieller Unterstützung von außen angewiesen.
Auch in diesem Jahr darf sich die Truppe über die Wintermonate auf Fußballspaß im Trockenen freuen. „Ab heute kicken wir wieder in der Halle“ freut sich Tim schon jetzt auf die kommenden Wochen und Monate. Der späte Termin nach 18 Uhr sei für viele Neustadter Gruppen eher unattraktiv, für die Teilnehmer des Welcome-Projektes aber fast geradezu ideal. Übrigens gebe es auch von Gruppen, die im genutzten Hallenkomplex gleichzeitig ihre Aktivitäten betreiben, oder denen man beim Belegungswechsel begegne, sehr positiven Zuspruch. Man zeige sich interessiert an der Projektidee und an den Menschen. Beispielsweise hätten eine Rock‘n Roll-Gruppe oder ein Senioren-Tanz-Kränzchen, die in der gleichen Halle untergebracht seien, ebenfalls schon Ideen für gemeinsame Aktivitäten an die asylsuchenden Freizeitfußballer herangetragen. Neue Initiativen wie den kulturellen Austausch beim Kochen und Backen oder zu den jeweils eigenen Aktivitäten einladen. Also auch hier eher positive Reaktionen. Negative Erlebnisse als Reaktion auf das Fußball-Projekt habe es bislang in Neustadt tatsächlich auch noch nicht ein einziges Mal gegeben. Es gab und gibt andere oder ähnliche Beispiele in der Republik, wo das nicht immer so war oder ist.
Die teilnehmenden Flüchtlinge sind mittlerweile längst mit Trainingsshirts und einem Trikot ausgestattet. Auch habe man mittlerweile bereits an drei Fußball-Turnieren teilgenommen. Gerade der häufigere Kontakt mit Menschen, die hier ihre Heimat haben, wäre laut der Initiatoren ein wünschenswerter nächster Schritt Integrationsarbeit auch rund um den Fußball und mit dem Fußball flankierend zu unterstützen. Speziell die Teilnahme an Fußballturnieren könne dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Auch im Hallenbetrieb wäre es wünschenswert noch ein oder zwei Leute zu finden, die bei der freitäglichen Kickerei mit anpacken. Dazu gehöre einfach die Präsenz in der Halle, um einen Ansprechpartner vor Ort zu haben, Sprachbarrieren zu überbrücken oder mit dazu beizutragen einen reibungslosen Ablauf bei der Hallenbelegung zu gewähren. Mitstreiter Christian wohnt aus beruflichen Gründen mittlerweile in Stuttgart und sei daher auch nicht mehr so regelmäßig vor Ort. Tim ist daher mittlerweile die treibende Kraft. Als eingefleischter FCK-Fan und langjähriger Dauerkarteninhaber ist es für ihn bei entsprechender Spielterminierung an einem Freitagabend nicht einfach seinen Herzensverein zu unterstützen.
Weitere Helfer sind also durchaus willkommen. Wer speziell über die Wintermonate kontinuierlich und verlässlich Zeit einplanen kann, um sich hier mit zu engagieren, kann sich per Mail an die Verantwortlichen richten. Es gehe allerdings nicht darum hier auf dem Feld mitzuspielen. Das Angebot aktiv Fußball zu spielen richte sich wirklich in erster Linie nur an Flüchtlinge, betont auch Mitinitiator Tim noch einmal ausdrücklich.
Bei dem prämierten Projekt „FC Welcome Neustadt“ spielen derzeit vor allem Menschen aus Afghanistan, Somalia und Eritrea mit. Gelegentlich hätten auch Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak schon mit mitgespielt. Menschen aus Marokko, dem Kosovo und Albanien seien anfänglich zwar auch mit am Ball gewesen, die seien jedoch mittlerweile zum Teil wieder abgeschoben worden. Aber auch für Menschen mit unsicherer Bleibeperspektive sei der wöchentliche Termin zum gemeinsamen Fußballspiel eben eine willkommene Abwechslung im tristen Alltag einer Sammelunterkunft gewesen und wird es auch in Zukunft bleiben.
Insofern ist das Engagement rund um das Projekt gar nicht hoch genug zu bewerten. Das war auch eine gewichtige Argumentation in der Begründung der Jury. Auch wenn den Neustadter Initiatoren konkret noch nichts in der Art widerfahren ist, populistische Hetze gegen Flüchtlinge scheint auch heute in unserer Gesellschaft noch immer Alltag zu sein, der leider nicht konsequent genug entgegengetreten werde.
Insofern sei ein solches ehrenamtliches Engagement nicht hoch genug zu bewerten! Es erfordere ein unbeschreibliches Engagement und viel Herzblut, damit es zwei Menschen gelinge, solch ein Projekt aufzubauen und kontinuierlich zu begleiten. Es kostet Zeit und Nerven Gespräche mit Verantwortlichen zu führen, nach geeigneten Spielstätten zu suchen, Menschen und Ansprechpartner von der eigenen Idee zu überzeugen und sich Unterstützung von außen zu erarbeiten. Daher auch von unserer Seite noch einmal herzliche Glückwünsche für die mehr als berechtigte und verdiente Prämierung durch das Lauterer Fanprojekt!
mg
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