Da war noch immer nicht genug Luft auf dem Reifen
Eine gute Halbzeit zu wenig, der 1.FCK muss sich in Würzburg mit einem Punkt begnügen
Als Schiedsrichter Gräfe gestern Nachmittag nach 90 Minuten am Würzburger Dallenberg die Partie zwischen Aufsteiger Kickers Würzburg und dem 1.FC Kaiserslautern beendete, sanken einige der Roten Teufel auf den Rasen. Nicht nur, weil ihnen bewußt war, dass hier mehr drin war. Nein, die Partie bei sommerlichen Temperaturen hatte auch Kraft gekostet. Vor allem in Halbzeit eins agierten die Jungs von Trainer Tayfun Korkut druckvoll, spielfreudig, zweikampfstark, aggressiv und bisweilen auch kombinationsstark. Marcel Gaus verwertete nach einer schnell vorgetragenen Kombination von Daniel Halfar und Christoph Moritz dessen feines Zuspiel trocken zur Führung. Schon vor dem Treffer hätte Marcel Gaus einnetzen können, noch vor der Pause hätte Osayamen Osawe nach Zuspiel von Alexander Ring frei vor dem Würzburger Keeper verwandeln müssen! Stattdessen brachte sich die Mannschaft noch in der Schlussminute des ersten Durchgangs um die Früchte der eigenen Fleißarbeit.
Stipe Vucur unterlief eine haarsträubende Ballrückgabe, die Andre Weis nicht mehr unter Kontrolle brachte, Christoph Moritz kam zu spät und Patrick Weihrauch zu Fall. Völlig zu Recht Strafstoß, den Richard Weil zum schmeichelhaften Ausgleich versenkte (45.). Es war nicht die einzige Unsicherheit des langgewachsenen Lauterer Innenverteidigers. Ihn ersetzte Tayfun Korkut dann in der Halbzeitpause fast folgerichtig durch Tim Heubach, der im zweiten Durchgang an der Seite von Patrick Ziegler eine ordentliche Vorstellung ablieferte. Bis zum Pausenpfiff boten die Roten Teufel eine sehr gute Vorstellung, agierten gefällig und bestimmend nach vorne, ließen hinten wenig zu. Lediglich bei den Ecken des Gegners schien der Defensivverbund nicht immer im Bilde zu sein. Ein Eindruck, der sich auch vor Wochenfrist bei der Heimpremiere schon aufdrängte. Eine Achillesverse, die das Team schnellstens in den Griff kriegen sollte. Dennoch gefiel gestern vor allem in der ersten Halbzeit insbesondere der Vorwärtsgang. Allerdings gehört auch hier zur wachsenden Reife die Steigerung der Effektivität. Neben Marcel Gaus und Osayamen Osawe hatten auch Lukas Görtler und Christoph Moritz noch ansehnliche Möglichkeiten. Die bis dahin im Vergleich zu den Roten Teufeln spielerisch eher begrenzten Gastgeber hätten sich über eine deutliche Gäste-Führung zur Pause nicht beklagen dürfen.
Doch den Schock über den unnötigen Ausgleich ließ die Mannschaft unerklärlicherweise nicht in der Kabine. Der 1.FCK ging fahrig und verhalten in den zweiten Durchgang und die Hausherren witterten, dass hier noch was gehen könnte. Die Würzburger Kickers zeigten mehr Mut und Biss in ihren eigenen Aktionen und hatten jetzt deutlich mehr Zug zum Lauterer Tor. Die vielleicht größte Chance der Hausherren vergab Patrick Weihrauch, der aus halbrechter Position nur ganz knapp den Lauterer Kasten verfehlte (70.). Nicht viel später hatte auch Elia Soriano die Würzburger Führung auf dem Fuß, der frei vor Torhüter Andre Weis, das Leder über die Latte drosch (78.). Gleich zweimal also hörbares und spürbares Aufatmen im Lager der Roten Teufel. Nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf den Tribünen. Immerhin waren trotz der geringen Zuschauerkapazität des Würzburger Stadions von rund 13.000 Zuschauern gut und gerne 2.500 Lauterer Fans mit in die unterfränkische Residenzstadt am Main gereist! Denen lief in der zweiten Halbzeit bisweilen nicht nur wegen der hohen Temperaturen der Schweiß von der Stirn.
Vor allem in der zweiten Halbzeit mutete die Spieleröffnung der Roten Teufel von der Tribüne aus nicht nur träge an. Die Jungs ließen es ein ums andere Mal zu, dass man mit der Querspielerei und dem teils sinnfreien Hintenrumballgeschiebe sich aus dem Halbfeld fast bis auf die Grundlinie zurückmanövrierte. Ein Verlust an Raum, der in der eigentlich beabsichtigten Vorwärtsbewegung auch Kraft kostet, da die Distanz zum gegnerischen Tor ein ums andere Mal deutlich größer wurde. Verhaltene Sicherheit und träger Ballbesitz vor spielerischer Dominanz und druckvoller Willenskraft. Genau diese Spielweise führte schließlich in der Schlussminute der ersten Halbzeit zu dem unnötigen und halsbrecherischen Rückpass und dem fatalen Strafstoß. Sicherheit in der Ballbehauptung sind gewiss wichtige strategische Elemente. Doch dann dürfen keine Nachlässigkeiten entstehen, mit denen sich die Defensivreihe quasi selbst abschießen könnte. Schließlich macht es keinem Spaß nach Abpfiff vor irgendwelchen Kameras nervige Fragen zu kapitalen Böcken erklären und anaylsieren zu müssen, oder?
Dennoch gab es auch in Halbzeit zwei gute Möglichkeiten auf Seiten der Gäste. Tayfun Korkut wechselte noch zweimal, brachte mit der Neuverpflichtung Zoltan Stieber in der 64. Minute ein weiteres belebendes Element für den emsigen aber glücklosen Lukas Görtler und für die Schlussoffensive in der 80. Minute Kacper Przybylko für den im zweiten Durchgang etwas enttäuschenden Christoph Moritz. Zoltan Stieber fügte sich nahezu nahtlos ins Mannschaftsgefüge ein, hatte zwei feine Füßchen bei Freistoßmöglichkeiten gezeigt, glänzte mit einigen guten Spielideen und hätte in der 67. Minute nach einem tollen Lauf von Osayamen Osawe beinahe sogar selbst getroffen. In den letzten zehn Minuten erhöhten die Lauterer zwar nochmal den Druck, doch es fehlten Cleverness und Ballsicherheit, um den einen oder anderen Ansatz sauber zu Ende zu spielen. Da ist physisch und mental noch Luft nach oben. Insofern ging nach dem Abpfiff der Partie die Punkteteilung auch in Ordnung.
Der Lauterer Anhang war verständlicherweise dennoch etwas ernüchtert und bisweilen angefressen. Man sieht und spürt, dass in der Truppe eine Menge Potential steckt, dass aber auch auf einigen Positionen noch deutlich mehr kommen muss. Laut Sportdirektor Uwe Stöver soll vor allem im Defensivverbund schließlich auch noch investiert werden. Demnach hat das Hauen und Stechen um Startelfplätze also noch gar nicht richtig begonnen und der Prozess des Aussortierens dürfte auch noch das eine oder andere Opfer fordern. Allerdings müssen sich auch unter den Neuverpflichtungen einige steigern, wenn sie dauerhaft in der Aufstellung ihren Namen lesen wollen. Der junge Phillipp Mwene war gestern lange Unruheherd und wußte sich bei agressivem Pressing nicht immer sicher zu helfen und zu befreien. Die eine oder andere Schwierigkeit sich zu behaupten zeigte er auch bereits in der Auftaktpartie letzte Woche. Das Team hat also noch kein finales Gesicht und braucht allein schon deshalb Zeit und Geduld. Auch im Fanlager wird aktuell speziell der Zusammenhalt und die Einheit von Mannschaft und Fans, aber auch der Fangruppierungen untereinander beschworen. Ausgerufene Marschrichtung auch der Vereinsführung mit der Aktion #zusammenlautern! Es geht auch nur zusammen und wie jedes Jahr bleibt auch in dieser Saison der Autor dabei, dass man vor dem 10. Spieltag wenig ablesen kann wohin die Reise geht.
Was in der Rückschau vom zweiten Spieltag bleibt, ist eine Auswärtsfahrt mit Licht und Schatten. Unterm Strich ein wirklich schöner Sonntagsausflug bei herrlich sommerlichem Wetter mit netten Leuten und Fanclubmitgliedern und einem einigermaßen ansehnlichen Fußballspiel. Besonders sympathisch in Erinnerung bleiben wird die Herzlichkeit und die Gastfreudnschaft der Würzburger. Schon in der Stadt, weit vorm Stadion, am Stadion und im Stadion. Ein echt cooler neuer Ground, den bisher vermutlich kaum jemand aus dem Lager der Roten Teufel kennengelernt hatte. Dass man dort noch wenig Erfahrung mit einem fast vollen Stadion hat, das war deutlich zu spüren. Aber niemand hat es den Gastgebern wirklich übel genommen. Was am Ende des gestrigen Tages dann ein wenig gekratzt hat war natürlich die durch viele zähe Staus etwas langatmige Rückfahrt in heimatliche Gefilde, die unverrückbare Tatsache dass die Mannschaft nicht in vollem Umfang gepunktet hat weil an der ein oder anderen Stelle noch sichtbar Sand im Getriebe und zu wenig Luft auf dem Reifen war und vor allem, dass auch ganz am Ende einer Auswärtsfahrt selbst dem eigenen Reifen auf der Zielgeraden noch die Luft ausgehen kann.
mg
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