Mol annerschd uff die Annere geguckt – VfL Bochum

Ein Fanprojekt mit langer Vergangenheit und besonderer persönlicher Note

Logo des Bochumer fanprojektes (Foto: Fanprojekt Bochum)

Logo des Bochumer Fanprojektes (Grafik: Fanprojekt Bochum)

Morgen kommt der VfL Bochum zum Betzenberg. Bereits beim letzten Gastspiel im März dieses Jahres hatten wir die Fanstruktur des Vereins in einem Vorbericht der gleichen Rubrik etwas näher unter die Lupe genommen. Heute gilt unsere Aufmerksamkeit dem Fanprojekt des Revierclubs. Eines von derzeit mehr als 60 Fanprojekten in Deutschland. Seine Anfänge nahm das Engagement in Bochum bereits 1990 im Rahmen der Streetworker-Arbeit. Offiziell gegründet wurde das heutige Fanprojekt 1992. Die Initiative ist damit satte 15 Jahre älter als unser Fanprojekt in Kaiserslautern und gehört damit auch zu einem der älteren Fanprojekte in der Republik. Im nächsten Jahr darf man an der Castroper Straße demnach 25-jähriges Jubiläum feiern. Quasi von Anfang an dabei, der heutige Leiter des Fanprojektes, Dipl.-Sozialarbeiter Ralf Zänger. Auf den ersten Blick geht es in Bochum sehr bunt zu. Eine Fülle von Angeboten wartet auf die Jugendlichen. Der Zuspruch zu allen Events und Projekten ist ungebrochen hoch. Die Rahmenbedingungen sind deutlich besser als im FCK-Umfeld. Die Vernetzung mit engagierten und zahlungskräftigen Partnern ist vorbildlich, der politische Wille, die Fanprojekt-Idee mitzutragen ist ein wichtiges Fundament. Was das Bochumer Fanprojekt aus zeichnet, dazu haben wir nachgefragt und erstaunliche wie plausible Antworten bekommen.

Das Team des Bochumer Fanprojektes (Foto: VfL Bochum)

Das Team des Bochumer Fanprojektes (Foto: VfL Bochum)

Aus der Distanz betrachtet herrschen in Nordrhein-Westfalen paradiesische Zustände für die Fanprojekt-Idee. Die Rahmenbedingungen sind dort anders als in Rheinland-Pfalz. Das liegt schon daran, dass Fanprojekte in NRW dem Familien-Ministerium  (Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Sport des Landes NRW) angegliedert sind und nicht dem Innenministerium. In den meisten Bundesländern wird der Sport nämlich im Innenministerium verwaltet, so auch in Rheinland-Pfalz. Sinnvoller, logischer und zielführender für die Fanprojekte scheint die NRW-Lösung. Immerhin sind Fanprojekte für die Jugend da. Streng genommen ist der Sport rund um den Fußball erst mal nur Aufhänger und Spielfeld, auf dem sich die Initiativen tummeln. Dabei ist die Arbeit rund um Stadion und Spielbetrieb nur ein Schwerpunkt der Angebote der Fanprojekte. In NRW scheint man das daher auch politisch viel breiter aufgestellt zu haben. Nicht nur als Pflichtübung mit Verwaltungscharakter. 2014/2015 hatte das Land NRW die damals 15 Fanprojekte mit bis zu 60.000 Euro pro Projekt unterstützt und zwar unabhängig von der Ligazugehörigkeit. Der Deutsche Fußball und die betroffene Kommune zahlen jeweils dieselbe Summe. Zur Erinnerung, das Fanprojekt Kaiserslautern bewegt sich mit rund 30.000 Euro am unteren Rand der Förderung durch die öffentliche Hand. Hier sieht auch die KOS in ihrem Sachstandsbericht Stand 2015 eindeutig Nachholbedarf.

Wichtige übergeordnete Instanz in NRW, die Landesarbeitsgemeinsychaft (Grafik: LAG e.V.)

Wichtige übergeordnete Instanz in NRW, die Landesarbeitsgemeinsychaft (Grafik: LAG e.V.)

Was für alle Fanprojekte in NRW einen zusätzlichen Segen bringt, ist die vom Ministerium geförderte Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW. Der Verein mit Sitz in Düsseldorf wurde erst 2014 gegründet und leistet seit letztem Jahr wertvolle Unterstützung und Zuarbeit. Eine Fachstelle mit zwei hauptamtlichen Mitarbeitern berät die einzelnen Standorte im Land und kümmert sich unter anderem auch um alles, was an übergeordneter Organisation für alle Standorte in Frage kommt. Die Finanzierung geht mit bis zu hundert Prozent zu Lasten des Landeshaushaltes. „Das nimmt uns schon einen erheblichen Teil Arbeit ab und hilft, dass wir uns besser auf die wesentlichen Praxisaufgaben vor Ort konzentrieren können“, bestätigt Ralf Zänger für das Bochumer Fanprojekt. Unter anderem in Bochum wird die Arbeit zusätzlich flankiert von der Initiative Lernort Stadion, der 2015 ebenfalls ein Vereinsanstrich verpasst wurde. Vorbild dafür war die in England beheimatete Initiative der „Study Support Centres“, beispielsweise bei Newcastle United. Die Idee dahinter, Fußball und politische Bildung zu verknüpfen. Eine glückliche Fügung, dass sich dieser Idee 2009 die Robert-Bosch-Stiftung verschrieb und nach eben diesem britischen Vorbild ein Konzept für die hiesige Bildungsarbeit mittragen wollte und bis heute mitträgt. Sehr bald bereits begeisterte sich auch die Bundesliga-Stiftung für die Idee, unterstützt das Projekt finanziell und öffnete die Türen der Profiklubs. Erste Lernzentren entstanden dank der Unterstützung der jeweiligen Fanprojekte  2009 in Berlin, Bremen, Bochum und Dortmund. Mittlerweile ist der Verein Lernort Stadion e.V. das Dach für insgesamt zwölf Lernzentren im gesamten Bundesgebiet. Bochum ist eines davon!

Bochum eines von 12 Lernzentren Soccer Meets Learning mit modularem Aufbau (Bild: Fanprojekt Bochum)

Bochum eines von 12 Lernzentren. Soccer Meets Learning mit modularem Aufbau (Bild: Fanprojekt Bochum)

Neben den politischen und ideellen Rahmenbedingungen darf man bei den Machern des Bochumer Fanprojektes auch stolz darauf sein, weitere namhafte Partner mit im Boot zu haben. Dazu gehören neben der Stadt, die Stadtwerke, beispielsweise auch eine Werbeagentur mit etwas mehr als nur lokalem Anstrich, die Aktion Mensch oder eben die Robert-Bosch-Stiftung. Da wundert es nicht, dass man beim Bochumer-Fanprojekt mittlerweile ein sechsköpfiges Team vorhält, sogar vorhalten muss. Sonst wäre die Breite der Angebote auch nicht mehr zu schultern. Personell kann Ralf Zänger dann im Bedarfsfall auch auf weitere Potentiale zurückgreifen. „Wenn wir mal eine größere Veranstaltung umsetzen, gehören zum erweiterten Kreis auch noch rund 30 Studenten, die als Helfer zur Verfügung stehen“. Das zeugt von breiter Akzeptanz in der Stadt und tiefer Überzeugung um den Erfolg der zu leistenden Arbeit. Ideale Voraussetzungen für eine Fülle von Angeboten, die sich nicht alle nur um den Fußball drehen, der aber dennoch einen gewichtigen Anteil einnimmt.

Beliebtes Indoor-Event, Hallenzauber (Bild: Fanprojekt Bochum)

Beliebtes Indoor-Event, Hallenzauber (Foto: Fanprojekt Bochum)

Bei der Breite der Angebote sollte auch für jeden etwas dabei sein. Neben dem klassischen Bezug zum Fußball mit Hallenzauber, Streetsoccer, IT-Fitness Sommercamp oder dem Fancup, finden sich allerdings auch jede Menge Angebote mit Bildungscharakter. Dazu gehören regelmäßige Lesungen, Podiumsdiskussionen zu aktuellen Themen, Aktionen mit künstlerischem Anspruch wie das Graffiti-Projekt, Integrationsarbeit wie bei den Fare-Aktionswochen oder politische Bildungsangebote. Letztere finden sich im Rahmen der Initiative Lernort Stadion auch bewusst in den Räumen der altehrwürdigen Fußball-Arena an der Castroper Straße wieder. Mit dem Lernzentrum-Projekt „Soccer Meets Learning“ (SML). Anhand von drei verschiedenen Modulen will man in jeweils dreitägigen Veranstaltungen junge Menschen im Stadion über den Fußball hinaus für „Demokratie-Lernen“ und politische Bildung begeistern oder auch das Wesen von Fairplay vermitteln. Der Fußball ist gewiss ein Spiegelbild der Gesellschaft, da drängt sich diese Idee geradezu auf!

Angebot aus den Anfängen, U18-Fahrt (http://www.fan-projekt-bochum.de/index.php/34-veranstaltungen/794-u18fahrt-des-fanprojekts-zum-auswaertsspiel-des-vfl-bochum-1848-bei-der-spvgg-fuerth)

Angebot aus den Anfängen, U18-Fahrt (Bild: Fanprojekt Bochum)

Ein beliebtes und simples Kernangebot aus den Anfängen gibt es auch in Bochum noch heute. Die U18-Fahrten oder gar U16-Fahrten haben längst in den meisten Fanprojekten Einzug gehalten. Das Angebot wird seit geraumer Zeit auch in Kaiserslautern aufgebaut, wenn auch in kleinerem Umfang und bescheidenerem Rahmen als in Bochum. „Wenn das Prinzip Frühprävention von Anfang an erfolgreich verfolgt werden soll, dann muss ich natürlich bei den Jüngsten anfangen“, erläutert uns der Leiter des Bochumer Fanprojektes. Wobei das Angebot mittlerweile trotz Beliebtheit nicht mehr ganz so einfach zu organisieren sei, wie noch in den Anfangszeiten. Die teils unsäglichen Anstoßzeiten vor allem in der zweiten Liga machten hier häufig einen Strich durch die Rechnung. Viele Vereine seien auch nicht mehr bereit für solche Angebote Freikarten zur Verfügung zu stellen. Aus steuerlichen Gründen. Das Thema verfolgt uns auch beim 1.FCK! Ohne solche Zuwendungen ist es allerdings schwierig, bei der Organisation einer Fahrt einen erschwinglichen Preis von rund 20 Euro irgendwie zu halten. Hinzu komme, dass die Vereine natürlich mit ihren eigenen Kids-Klubs mittlerweile eine Konkurrenz auf dem Angebots-Markt darstellten.

Teilnehmer des IT-Fitness Sommercamp 2015 (Foto: Fanprojekt Bochum)

Teilnehmer des IT-Fitness Sommercamp 2015 (Foto: Fanprojekt Bochum)

Zu den interessanten Bildungs- und Sport-Angeboten sind die Mitarbeiter natürlich auch für ureigene Aufgaben da. Dazu gehören die Begleitung der Fans bei Heim- und Auswärtsspielen, Unterstützung und Vermittlung bei Konflikten mit Behörden (Sozialamt, Jugendamt, Polizei oder Arbeitsamt) oder im Einzelfall sogar die Beratung und konkrete Hilfe in problematischen Lebenslagen. Im kommenden Jahr wird das Bochumer Fanprojekt 25 Jahre alt. Den Auftakt zum runden Jubiläumsjahr wird das Hallenturnier im Januar bilden, das sich ohnehin großer Beliebtheit erfreue, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Als eine der Stärken des Bochumer Fanprojektes darf man sicher die Kontinuität in der personellen Besetzung sehen. Ralf Zänger ist seit Anbeginn dabei und hat sich bis heute nicht abgenutzt. „Auch wenn manches schwieriger und manches anders geworden ist, ich habe immer noch große Lust und großen Spaß daran meine Erfahrung einzubringen“, sagt Zänger mit fühlbarem Enthusiasmus. Na dann, auf die nächsten 25 Jahre!

mg


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