Wir brauchen Strukturen die von oben kommen und die unten greifen
Podiumsdiskussion Homophobie im Fußball – sind die Frauen weiter als die Männer?
Vergangenen Montag wurde in den VIP-Räumen des VfR Mannheim kontrovers diskutiert. Im Rahmen des diesjährigen CSD-Rhein Neckar gingen unter der Moderation des Freien Journalisten Roland Bode der Cheftrainer der Frauen-Bundesligamannschaft der TSG 1899 Hoffenheim, Jürgen Ehrmann, der Abteilungsleiter Frauenfußball beim TSV Neckarau, Michael Mattern, der Beauftragte für Chancengleichheit von LSBTI der Stadt Mannheim, Sören Landmann sowie Sven Wolf, Ansprechpartner für Homosexualität im Badischen Fußballverband und Geschäftsführer des VfR Mannheim der provokant gestellten Frage nach, ob der Frauenfußball nicht längst entspannter mit dem Thema Homosexualität umgehe, als dies die Herren der Schöpfung bisweilen tun. Im Vorjahr war man an gleicher Stelle noch der Frage nachgegangen, wie es denn beim Thema Homophobie im Amateurbereich bestellt sei und erarbeitete eine Fülle von defizitären Rahmenbedingungen und einen umfänglichen Katalog, wo man was und wie verbessern könne und müsse.
Die einzige weibliche Podiumsteilnehmerin, Nadine Imhof (Vizepräsidentin des Badischen Fußballverbandes), die ihr Kommen zwar zugesagt hatte, musste ihre Teilnahme als werdende Mutter gesundheitsbedingt leider kurzfristig absagen. So wusste Sven Wolf bereits bei der Begrüßung zu berichten, dass man sich von Anfang an bemüht habe weibliche Vertreter für die Abendveranstaltung zu gewinnen. Sogar bis in die höchsten DFB-Ebenen. Leider Fehlanzeige. Keine Zeit, kein Interesse, kein Bedarf. Insofern fand sich das weibliche Geschlecht am Montagabend leider nicht repräsentiert.
Auch die von Wolf vorgenommene Bestandsaufnahme, die einen Vergleich zu vor einem Jahr aufwarf, fiel eher ernüchternd aus. Im Grunde habe sich seit letztem Jahr bis heute im Fußball nicht wirklich etwas positiv verändert. Dennoch seien auch Schritte nach vorne festzustellen. Immerhin hätten sich gerade im Amateurbereich in den zurückliegenden zwölf Monaten doch einige Spieler und auch Nachwuchsschiedsrichter geoutet. Allerdings sei das Outing von Thomas Hitzlsperger aus dem Frühjahr 2013 im professionellen Männerfußball nahezu wirkungslos verpufft, sehe man einmal von der kurzfristigen medialen Aufmerksamkeit ab.
Etwas entspannter wertete Jürgen Ehrmann von der TSG 1899 Hoffenheim die Situation. Ehrmann trainiert seit 2008 die Frauenmannschaft der TSG, mit der er 2013 in die Bundesliga aufstieg. Details könne und wolle er zwar in die Diskussion nicht einbringen, aber natürlich sei bekannt, dass die ein oder andere Spielerin eben eine Freundin habe und nicht einen Freund. Das Klima zu dem Thema nehme man allerdings entspannt wahr. Vorfälle hinsichtlich homophober Äußerungen oder homophoben Verhaltens im Team oder im Umfeld des Teams seien ihm noch nicht untergekommen. Vielleicht liege das unter anderem auch daran, dass es eben nicht explizit thematisiert werde, sondern man es als alltäglich und selbstverständlich wahrnehme. Allerdings sei man bei der TSG auch in der komfortablen Lage unter sehr professionellen Bedingungen arbeiten zu können und im Fall der Fälle auch bei diesem Thema auf eine professionelle psychologische Betreuung im Team zurückgreifen könne. Ein ähnliches Wahrnehmungs-Bild zeichnete auch Michael Mattern, Abteilungsleiter Frauenfußball beim TSV Neckarau. Nach seiner Einschätzung seien etwa 60% der weiblichen Aktiven im Mannheimer Stadtteil-Club lesbisch und kaum jemand nehme davon Notiz oder störe sich daran.
Von diesen Rahmenbedingungen kann der Männerfußball natürlich nur träumen. Was aber macht hier den Unterschied? Sicher hat die unterschiedlich wahrgenommene Situation auch etwas mit den gesellschaftlichen Rollenverständnissen und Rollenverteilungen zu tun. Männliche Identität und weibliche Identität scheinen anders definiert und anders positioniert. Dennoch dürfe man laut Sven Wolf nicht annehmen, dass im Bereich Frauenfußball alles rosarot sei. Auch hier ringe man noch um eine klare Positionierung zum Thema. „Ich denke, dass lesbische Frauen durchaus ihre Probleme haben. Die ganz großen Vorbilder, die sich da im Frauenfußball geoutet hätten, gibt es ja auch nicht. Mir fällt da auf Anhieb nur Nadine Angerer ein, deren Bisexualität bekannt ist“, führt Sören Landmann hierzu an. Auf der anderen Seite führt Sven Wolf an, sei es natürlich als bemerkenswert zu kennzeichnen, dass im Jahr 2014 in völlig selbstverständlicher und unverkrampfter Manier über die Hochzeit der ehemaligen Nationalspielerin und heutigen DFB-Direktorin Frauenfußball Steffi Jones mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin Nicole Parma berichtet wurde. Im Männerfußball eine heute noch undenkbare Vision. Immerhin hat sich trotz des Outing von „Hitz the Hammer“ bis heute kein aktiver Spieler geoutet.
So gesehen bestehe durchaus eine Unterschiedlichkeit in Handhabung und Wahrnehmung des Themas Homosexualität und der Ausprägung von Homophobie unter Frauen und unter Männern. Nicht nur im Fußball oder im Sport. Ein wichtiger Aspekt beim Blick in die Zukunft sei allerdings auch die Frage mit welchen Lösungsansätzen man damit umgehe. Homophobie sei nicht nur ein Thema, bei dem der Sport oder explizit der Fußball betroffen sei beziehungsweise Betroffenheit zeigen sollte. Auch in anderen beruflichen Alltagssituationen gelte es eine erhöhte Sensibilität zu schüren. Dass sich hier etwas verändere ließe sich daran erkennen, dass auch ein Arbeitgeber wie die Kommunalverwaltung Mannheim hierzu Planstellen schaffe, skizzierte Sören Landmann. Er kümmert sich zusammen mit seiner Kollegin Grace Poch seit 1. Juli dieses Jahres um die Chancengleichheit von Menschen vielfältiger sexueller und geschlechtlicher Identitäten bei der Stadt Mannheim. Das Thema Diversity wird in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer sexuellen Identität in einem entsprechenden Umfeld nicht angstfrei agieren können, werden auch ihre Arbeitsleistung nicht optimal abrufen können. Das gelte für einen Arbeitgeber wie eine Stadtverwaltung genauso wie für ein mittelständisches Unternehmen oder eben einen Fußballverein im Profi- oder Amateurbereich, der ja auch vielgestaltiger Arbeitgeber sein könne. Insofern liege hier auch ein wirtschaftliches Interesse zugrunde, wenn man in der Arbeitswelt hier künftig stärker auf das Thema eingehen und sich dem Thema Homophobie entgegenstellen werde.
Bei allen sichtbaren Unterschieden beim Umgang mit dem Thema Homosexualität bei Frauen und Männern, fiel das Resümee des Abends doch eher einhellig aus. Das Thema werde in vielen Bereichen bereits als gesamtgesellschaftliche Debatte geführt, im Fußball allerdings leider zu häufig von der Boulevard-Presse in eine klischeehafte Ecke gedrängt. Es fehle insgesamt an einer sachlicheren Diskussion. Der Fußball und der Sport im Allgemeinen müssen sich ihrer Bedeutung und ihrer Rolle bewusster werden. Es müssen Strukturen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die von oben kommen und die unten greifen. An der Basis der Jugendarbeit. Dort wo heranwachsende Menschen im Umfeld des Sports ihre Identität finden und dies muss in einem Klima möglich sein, wo einzelne angstfrei ihre persönlichen Schritte nach vorne tun können. Dafür geeignete Mitarbeiter und Mitwirkende zu finden und zu halten, dürfte laut Sven Wolf eine der größten Herausforderungen sein. Es fehlt sicher nicht an Menschen, die genügend fachliche Qualifikation mitbringen ihren Sport, in dem Falle den Fußball zu vermitteln. Dennoch fehlt es noch immer zu oft an nötiger Sozialkompetenz. Uwe Ziegenhagen, Geschäftsführer des BFV, der sich als Zuhörer aus dem Plenum meldete, warf dann auch das Bild auf, dass wir uns mit der Debatte immer noch am Anfang einer Reise befänden. Die notwendige Entwicklung zu verbesserten Strukturen, erweiterten Ausbildungsinhalten oder zahlreicheren Angeboten für die Qualifizierung von fähigen Mitarbeitern in allen Teilen des Sports sei ein Weg, der nur Schritt für Schritt zu bewältigen sei, um so früher oder später zu einer Kultur von mehr Toleranz und Akzeptanz zu gelangen.
mg
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