Triste Flaute an allen Fronten
Eine Nachbetrachtung nach erneutem Heim-Unentschieden
Gähnend leer wirkte das Fritz-Walter-Stadion am vergangenen Sonntag. Offiziell gerade mal 26.501 Besucher verloren sich gegen den FSV Frankfurt im Fußballtempel am Betzenberg. Obwohl der FCK seine treuen Fanclubs im Vorfeld großzügig mit Freikarten ausgestattet hatte. Zumindest optisch eine dürftige Kulisse gegen einen nicht allzu attraktiven Gegner. Zweitliga-Alltag eben. Die träge und zähe Quittung für die in dieser Saison in fußballerischer Hinsicht vor allem vor heimischem Publikum gebotene Tristesse. Da mochten sich die Protagonisten auf dem grünen Rasen gefühlt nicht lumpen lassen und lieferten einmal mehr eine Kost ab, die während der 90 Minuten ein Spiegelbild dessen war, was ein Blick auf die Tribünen suggerierte. So reichte es am Ende auch nur zu einem 1:1 Unentschieden. Zu wenig für das, was man sich nach der zweiwöchigen Länderspielpause und einer intensiven Vorbereitung vorgenommen und ausgerechnet hatte. Zu wenig für die Anhängerschar in der Pfalz und weit über deren Grenzen hinaus, die im vierten Jahr der Zweitligazugehörigkeit offensichtlich zunehmend die Lust am Stadionbesuch verliert, wenn man sich die Entwicklung der Zuschauerzahlen anschaut.
Trotz des Überraschungssieges beim ungeliebten Brause-Projekt in Leipzig vor zwei Wochen, mag so mancher Fan auch angesichts der winterlichen Wetterprognosen lieber den Logenplatz auf dem heimischen Sofa oder der Stammkneipe vorgezogen haben, um dem Geschehen dank des Drei-Buchstaben-Bezahl-Senders live beizuwohnen. Der FCK spielte am Sonntag nicht gut, aber auch nicht grottenschlecht. Durchschnitt eben, dem Tabellenplatz und der Breite der Qualität der angeblich besten zweiten Liga der Welt angemessen. Vereinzelte Spielszenen gaben durchaus Anlass vom Sitz aufzuspringen, um sich im nächsten Moment dennoch einmal mehr die Haare zu raufen oder – falls nicht mehr vorhanden – die Hände vors Gesicht zu schlagen. So zum Beispiel auch als Marius Müller in Halbzeit eins bei einer Abschlag-Situation eines ruhenden Balles im eigenen Halbfeld den Ball zwar nach vorne, aber sich selbst zu Fall brachte. Der ein oder andere Betrachter mag sich bei dieser Slapstick-Einlage bestätigt gefühlt haben, dass es glatt werden könnte und somit besser war, das Spiel vor dem TV-Gerät zu beobachten. Keine Häme! Marius Müller war am Sonntag einer der wachsten und einer der besten! Aber es passte halt ins Gesamtbild.
Haare raufen natürlich auch bei den erneuten Großchancen unseres etatmäßigen Stürmers Kacper Przybylko. Der Junge ackert viel, erobert sich in mancher Szene mit Leidenschaft die Bälle vom Gegner, setzt mit zahlreichen Aktionen immer wieder die Kollegen im Vorwärtsgang erfolgversprechend in Szene, steht selber in der Nähe des gegnerischen Kastens in so mancher Situation goldrichtig, versagt aber regelmäßig dabei das Leder, selbst bei sogenannten hundertprozentigen, im Kasten unterzubringen. Selbstkritisch zeigte er sich auch am vergangenen Sonntag in Anbetracht seiner aktuellen Torflaute, auch wenn ihm nach eigenem Bekunden gar die Worte fehlten. Trainer Konrad Fünfstück erkennt auch nach der neuerlichen Torflaute an, dass der langgewachsene Angreifer viel investiert und ist überzeugt, dass er die Kurve kriegt und sich auch wieder belohnt. Es wäre ihm und dem Team zu wünschen. Dennoch nagt die Torflaute, nicht nur an der Nummer 20. Sie nagt auch an den Kollegen und natürlich am Publikum.
Flau wurde dem geneigten Zuschauer am Sonntag bisweilen auch beim Wahrnehmen der Flaute beim Thema Stabilität in der Defensive. Da fehlt noch einiges an Sicherheit. Die Grundordnung stimmt, aber das sichere Spiel mit dem Ball von hinten nach vorne, viel zu oft noch viel zu fehlerbehaftet. Vor allem wenn der Gegner dann mal schnell und ideenreich Richtung Lauterer Tor agiert. Das zeigte die Truppe vom Bornheimer Hang vor allem beim Führungstreffer gekonnt und gnadenlos auf. Nach Ballverlust im Mittelfeld fehlte Stipe Vucur hinten. Das ging blitzschnell. Besar Halimi auf den pfeilschnellen Zlatko Dedic, der die Lücke in der Abwehrkette fand, auf Shawn Barry, der die Kette überlief, quer auf Felipe Peres legte, zack, drin!
Mit der Heimpartie am vergangenen Sonntag steht zwar ein weiterer Punkt auf der Haben-Seite, man darf jedoch nicht vergessen, dass der Ausgleichstreffer durch ein Eigentor zu Buche schlägt. In einer kleinen Drangphase war dieser Frankfurter Lapsus natürlich auch irgendwie erzwungen, klar!. Doch auch die sogenannten Drangphasen sind weit weg von der aufbäumenden, willensstarken Wucht, mit der man den FCK früher – nicht nur in Glanzzeiten und erfolgreichen Jahren – auf dem heimischen Betzenberg gleichsetzte. Flaute eben auch bei dieser Lauterer Grundtugend.
In dem kürzlich erschienenen Buch über Norbert Thines hat der Autor gerade dieses einstige Markenzeichen des FCK besonders eindrucksvoll beschrieben. Beim darin enthaltenen Kapitel über Hans-Peter Briegel verfällt Norbert Thines in einem zitierten Interview ins Schwärmen. „Ein unglaubliches Arbeitstier! Bei einem 1:2-Rückstand hat er in der 88. Minute gesagt: Kommt Jungs, das drehen wir jetzt noch. Und dann haben sie 3:2 gewonnen.“ Sicher auch nicht immer, aber sicher oft, sehr oft. Markus Karl und Daniel Halfar sind aktuell vielleicht die beiden einzigen Sprachrohre, denen man von der Tribüne aus in ihrer optischen Körpersprache und aus ihrer etwas verbisseneren Mentalität heraus zutraut so ein Heft in die Hand zu nehmen. Halfar fehlte am Sonntag verletzungsbedingt, Markus Karl war zum Zeitpunkt einer erwarteten Schlussoffensive nach beherztem Zupacken mit Gelb-Rot bereits beim Duschen.
Für den Rest der Vorrunde und den Rest der gesamten Spielzeit wird das Abschneiden in der Saison 2015/2016 nicht nur von signifikanten Leistungssteigerungen oder zumindest spürbaren Leistungsstabilisierungen in einigen Mannschaftsteilen und einigen Akteuren abhängen. Gespannt sein darf man auch, ob sich die Flaute auf den Rängen mal wieder zu einem Besseren wendet. Quantitativ wie Qualitativ. Stimmungstechnisch sind auch die Fans weit weg von einstigem Glorienschein. Wer will es den treuesten der Treuen aber auch verdenken. Vor allem die Fans, die vor 2006 schon Jahre oder Jahrzehnte auf den Berg pilgern (…oder pilgerten…) sehnen sich nach Erstligafußball. Grade bei der in der aktuellen Saison gebotenen fußballerischen Leistung fällt es schwer, einfach einen Schalter umzulegen und sowas wie eine „Stimmungs-Flaute“ abzustellen und diese durch einen akustischen Dauer-Orkan zu ersetzen. Zumal die ewig gestellte Frage immer wieder zu bemühen sein wird, ob der Funke vom Feld auf die Tribüne oder von der Tribüne aufs Feld überschlagen muss. Sicher nicht schlecht, wenn sich sowas in 90 Minuten mal so und mal so einstellt. Im Moment mag beides nicht so recht funktionieren. Wie gesagt, Flaute eben.
Quantitativ täte es dem FCK natürlich wirtschaftlich gut, wenn sich dauerhaft mal wieder Besucherzahlen jenseits der 30.000-Marke einstellten. Aber hier ist es emotional der (gefühlten) Gewohnheit an die fetten Jahre zwischen 1991 und 2006 und in gewisser Weise rational der Größe der Spielstätte geschuldet, dass die Statistik nach „mehr“ verlangt. Es gab aber auch davor schon häufig Spielzeiten, in denen der zahlenmäßige Zuspruch höchst schwankend war und das auch in der ersten Liga. Beispiel gefällig? In der Saison 1980/1981 hatte der FCK den ungeliebten FC Bayern an einem kühlen Oktobernachmittag mal wieder furios mit 4:2 vom Berg gejagt. Selbstverständlich vor einem mit 34.500 Besuchern restlos ausverkauftem Haus. Eine Woche später holte man in einer kämpferischen Partie beim BVB einen Punkt(2:2), ehe sich in der darauffolgenden Woche gerade mal 17.417 Besucher den 3:0 Sieg der Roten Teufel gegen Fortuna Düsseldorf anschauten. Wie gesagt, das in Liga 1 und zu einem Zeitpunkt als der FCK in der Tabelle um internationale Plätze mitspielte! Oder in der Saison 88/89, als man sich nach einem Fehlstart am 5. Spieltag in München eine 5:1-Packung einfing und sich eine Woche drauf grade mal offizielle 14.736 Besucher den 6:0 Sieg gegen die Stuttgarter Kickers anschauten. Übrigens meine persönliche Schminkpremiere vor heimischem Publikum und schon deshalb unvergessen. Aber auch in der katastrophalen Abstiegssaison 2005/2006 wollten am 11. Spieltag nur knapp 27.000 Besucher die Partie gegen den Werksclub aus Leverkusen anschauen. Verständlich, nachdem die vorangegangenen 10 Partien der Roten Teufel überwiegend zum Wegschauen waren. Unverständlich, wenn man argumentiert, dass eine Mannschaft eben auch die Unterstützung der Fans braucht, was in der besagten Saison bekanntermaßen dringend notwendig war.
Die Vergleiche bedürften sicher einer weit differenzierteren Betrachtung, als es das schnöde Nebeneinanderstellen von Statistik ermöglicht. Immerhin bestehen zwischen damals und heute neben vielen fußballkulturellen auch gravierende gesellschaftskulturelle Unterschiede. Zurück im heute bleibt zu hoffen, dass wir als Fans uns wieder in Erinnerung rufen, welchen Beitrag wir leisten könnten, wenigstens die Flaute auf den Tribünen zum Positiven zu ändern, um vielleicht damit auch wichtige Impulse unten auf dem Rasen zu provozieren. Auch wenn es schwer fällt. Aber wer das Gefühl kennt, schon einmal zusammen mit knapp 11.000 oder 12.000 anderen Fans einem Heimspiel auf dem Betzenberg beigewohnt zu haben, der wird auch in einer Zweitligasaison mit fußballerischer Magerkost bei Heimspielen den angestammten Stadionplatz nicht mit dem Logenplatz auf Sofa oder in der Kneipe tauschen wollen. Auch nicht, wenn einem bei frostigen Außentemperaturen die angemalten Ohren fast abfrieren. Die Temperatur-Flaute, die kann mich mal!
mg
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