Nie wieder! 17. Erinnerungstag im deutschen Fußball
Ein Interview mit dem Sporthistoriker, Religionsphilosophen und Direktor der Schwabenakademie Irsee Dr. Markwart Herzog
„Nie wieder!“, diese Botschaft der Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau, haben Fußballfreunde 2004 aufgegriffen und den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ ins Leben gerufen. Am 27. Januar 2004 wurde die Initiative in der Evangelischen Versöhnungskirche, KZ-Gedenkstätte Dachau, gegründet. Die Anregung kam aus Italien. Ein Bündnis aus Einzelpersonen, Fangruppen und Fanprojekten, Vereinen, Verbänden und Institutionen aus dem Fußball gedenkt seitdem der preisgegebenen Familienmitglieder und engagiert sich für eine würdige Gedenkkultur und für ein Stadion ohne Diskriminierung. In diesem Jahr gedenkt die Fußballfamilie besonders der Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität stigmatisiert und brutal verfolgt wurden. Weit über 10.000 Menschen verschleppten die Nationalsozialisten in die Konzentrationslager.
Anlässlich des gestrigen Drittligaspiels der Roten Teufel gegen Türkgücü München, hat auch der Verein mit einem ausführlichen Bericht und detaillierten Informationen den 17. Erinnerungstag im deutschen Fußball gewürdigt. Gerne hätten wir zu dem Thema in Zusammenarbeit mit dem FCK und dem Förderverein des FCK-Museums eine Präsenzveranstaltung angeboten, zu der wir den promovierten Philosophen und Direktor der Schwabenakademie Irsee Dr. Markwart Herzog, profunden Kenner des FCK und Autor des Buchtitels „Der Betze unterm Hakenkreuz – Der 1. FC Kaiserslautern in der Zeit des Nationalsozialismus“, einladen wollten. Da dies aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich ist, hat der Vorsitzende der Queer Devils und Pressereferent des Fördervereins des FCK-Museums, Matthias Gehring, mit Dr. Markwart Herzog ein längeres Interview geführt.
MATTHIAS GEHRING: Am heutigen 17. Erinnerungstag im deutschen Fußball, gleichzeitig der 76. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, soll bundesweit mit Initiativen, Aufklärungs-kampagnen und aufgrund der aktuellen Pandemielage zumindest mit Online-Veranstaltungen daran erinnern, dass Menschen von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Wenigstens einmal im Jahr an den Holocaust zu erinnern ist zwar eminent wichtig und richtig. Aber ist es nicht zu wenig, um das Immunsystem einer Gesellschaft zu stärken? Inwieweit wäre eine Veränderung unserer Gedenkkultur vonnöten und welche Rolle könnte der Sport hier spielen?
MARKWART HERZOG: Wir haben bereits eine sehr gut aufgestellte Erinnerungskultur, gerade auch im Sport. Es gibt kein anderes Kapitel in der Geschichte des deutschen Fußballsports, das so gut erforscht ist wie die Entrechtung der Juden in den Vereinen, die damals im Deutschen Fußball-Bund organisiert waren. Nils Havemann hat mit seiner wissenschaftlichen Studie über den DFB unter dem Hakenkreuz eine Steilvorlage geliefert, die von zahlreichen Fußballvereinen, Fans und Historikern aufgegriffen wurde. Was die Opfer des NS-Regimes betrifft, wurde auf diesem Feld viel geleistet und es wird nach wie vor viel geleistet. Schwerer tun sich die Vereine, zumindest vereinzelt, immer noch mit ihren damaligen Funktionären. Denken Sie nur an Eintracht Frankfurt: Matthias Thoma hat bereits im Jahr 2007 darauf hingewiesen, dass die Eintracht mit Richard Gramlich ein Mitglied der Waffen-SS als Ehrenpräsident in der Ahnengalerie führte. Aber es geschah zunächst nichts. Es bedurfte der Skandalisierung dieses Faktums durch die BILD, die den Verein veranlasste, die Biografien der „Vereinsführer“ in der NS-Zeit historisch aufarbeiten zu lassen. Das Buch ist erst vor wenigen Wochen erschienen. Beim FC Bayern München liegt noch mehr im Argen: In der FC Bayern Erlebniswelt in der Allianz Arena werden Sie mit der steilen These konfrontiert, dass der Club ein Opfer der Nationalsozialisten gewesen sei. Der Aufschrei war laut, als ich 2016 herausgefunden hatte, dass es sich etwas anders verhielt. Schließlich sahen sich die Bayern gezwungen, das Münchner Institut für Zeitgeschichte mit einer unabhängigen Erforschung der Vereinsgeschichte im „Dritten Reich“ zu beauftragen. Der Potsdamer Sporthistoriker Hans Joachim Teichler hatte ihnen dringend dazu geraten. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt. Noch mehr bin ich aber darauf gespannt, welche Konsequenzen die Bayern aus der Entdeckung ziehen werden, die der ehemalige Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte Hans Woller in seiner Biografie über Gerd Müller ans Licht brachte: Mit Wilhelm Neudecker steht ein sehr verdienstvoller Präsident und Ehrenpräsident in den Annalen des Vereins, bei dem es sich ebenfalls um ein NSDAP- und SS-Mitglied handelt. Wird die Kurt-Landauer-Stiftung diesen Mann auch in Zukunft mit Blumen- und Kranzniederlegung ehren? Inwieweit sind die Fälle Gramlich und Neudecker überhaupt vergleichbar? Werden die Bayern Neudecker ebenso „entehren“, wie die Eintracht mit Gramlich verfuhr? Vielleicht finden sie ja einen dritten Weg – wie gesagt, ich bin gespannt.
MATTHIAS GEHRING: Der Erinnerungstag im deutschen Fußball soll in diesem Jahr explizit an Menschen erinnern, die während der Nazi-Herrschaft aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität als „Abartige und Homosexuelle“ gebrandmarkt und brutal verfolgt wurden. Sie haben sich intensiv mit dem 1. FC Kaiserslautern in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Das Ergebnis Ihrer Recherchen kann man unter anderem im Buchtitel „Der Betze unterm Hakenkreuz“ nachlesen. Inwieweit sind Ihnen im Zuge Ihrer Recherchen auch Schicksale von FCK-Vereinsmitgliedern, FCK-Sportlern oder FCK-Funktionären begegnet, die von den Nazis aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden?
MARKWART HERZOG: Bei meinen Forschungen über die Geschichte des 1. FC Kaiserslautern bin ich ausschließlich auf Mitglieder gestoßen, die von den Nationalsozialisten aus rassischen Gründen verfolgt wurden. Der FCK ging besonders radikal vor. Das können Sie daran sehen, dass am 9. April 1933 vierzehn süddeutsche Spitzenfußballvereine, darunter auch der FC Bayern München und Eintracht Frankfurt, öffentlich erklärten, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Der FCK hatte es besonders eilig, nur zwölf Tage später nahm eine außerordentliche Hauptversammlung den „Arierparagrafen“ in die Satzung auf und schloss damit die jüdischen Mitglieder aus. Alles in allem ist die Quellenlage rund um den FCK einfach schlecht. Vielleicht tauchen später unbekannte Dokumente auf, die dazu führen, dass man die heutige Sicht ändern oder ergänzen muss.
MATTHIAS GEHRING: Die Ideologie des Nationalsozialismus lehnte jede Form nicht heteronormativer Sexualität entschieden ab. Dennoch wurde vereinzelt bei Parteifunktionären zumindest befristet ein Auge zugedrückt. Zumindest bis zur Ermordung von SA-Chef Ernst Röhm im Jahr 1934, dem wohl prominentesten Beispiel. Dessen Ermordung ging auf ihm unterstellte Umsturz-Absichten zurück, seine offen ausgelebte Homosexualität nutzen seine Schergen dazu ihn zu diskreditieren. Gab es noch andere heute bekannte Fälle, bei denen die Nazi-Führung homosexuelle Neigungen einzelner Partei- oder Militärgrößen in höheren Positionen zumindest duldete?
MARKWART HERZOG: Interessanter als Parteigrößen der NSDAP ist für den Sport beispielsweise, dass der FC Bayern München mit dem Chemiker Dr. Angelo Knorr im Kaiserreich einen homosexuellen Vorsitzenden hatte. Er hat sich um den Verein als Multifunktionär verdient gemacht. Knorr wurde strafrechtlich verfolgt, seine homosexuelle Neigung wurde zwar festgestellt, aber die ihm zur Last gelegten Handlungen konnten nicht bewiesen werden. Von etlichen Bayern-Mitgliedern wurde Knorr in dem Gerichtsverfahren „entlastet“. Der Münchner Stadtarchivar Anton Löffelmeier hat Knorrs Biografie rekonstruiert und gezeigt, wie sein Ringen um die Überwindung der Homosexualität und der Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und bürgerlichen Status ihn in tiefe Depressionen stürzte. Im Alter von erst 50 Jahren starb er an einem Schlaganfall, gezeichnet von dem kraftraubenden Zwiespalt, in den ihn die gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität gestürzt hatte. Auch das Schicksal des homosexuellen Leichtathleten Otto Peltzer, sei hier genannt. Peltzer, der als Mittelstreckenläufer zahlreiche Titel gewann, unter anderem bei den Olympischen Spielen 1932 einen vierten Platz belegte, gehörte bis 1935 sogar der SS an. Im gleichen Jahr wurde er verhaftet und verurteilt. Auch unter den Nationalsozialisten war Homosexualität verbreitet, vor allem in der sogenannten Bewegungsphase. Der Pazifist Carl von Ossietzky hat das 1925 in einem parodistisch-polemischen Tagebucheintrag auf den Begriff des National-Päderasten gebracht.
MATTHIAS GEHRING: Der Strafrechtsparagraph 175, der bereits 1871 in Kraft trat, wurde von den Nazis 1935 noch einmal verschärft. Abgeschafft wurde die Strafbarkeit homosexueller Handlungen in Deutschland allerdings erst 1994. Heute engagiert sich auch der Sport gegen die Diskriminierung von LSBTIQ, wobei alle Dach- und Fachverbände seit jeher eine hohe gesellschaftliche Verantwortung haben. Wieso tat sich der Sport in der Bundesrepublik auch nach 1994 viel zu lange, viel zu schwer bei diesem Thema sprichwörtlich Farbe zu bekennen?
MARKWART HERZOG: Der Fußballsport war, nicht nur in Deutschland, seit der Zeit des Wilhelminischen Kaiserreichs eng mit dem Militär verbunden. Nach dem Ersten Weltkrieg war es für die Militärbehörden wichtig, dass die aus den Schlachten und Gefangenenlagern zurückkehrenden Soldaten sich „austoben“ konnten, dass dieses Aggressions- und Gewaltpotenzial, das sie in sich trugen, kanalisiert und besänftigt werden konnte. Die Politik hatte damals erkannt, dass der Leistungssport sich positiv auf die Wehrfähigkeit und Volksgesundheit auswirkt. Auch aus diesem Grund wurde der Sport von der öffentlichen Hand gefördert. Bereits der erste Reichstrainer Otto Nerz übernahm eine ganze Reihe militärischer Rituale in die Fußballnationalmannschaft. Es war ein gesamtgesellschaftliches Ziel, mit einer „Schule der Härte“ die Männlichkeit, die durch die Niederlage des Ersten Weltkriegs beschädigt worden war, wiederherzustellen. Die Beherrschung insbesondere der sexuellen Begierden, männliche Tugenden wie Affektkontrolle, Emotionslosigkeit, Disziplin, Sachlichkeit und Nüchternheit gehörten zu jenen „Exerzitien der Männlichkeit“, die damals angesagt waren. Kasernendrill und Sporttraining sollten deutsche Jungen zu echten Männern schmieden. Das wirkt bis heute nach. Das ist ein wichtiger Grund, warum sich der Frauenfußball, nicht nur in Deutschland, so enorm schwer tat und nach wie vor Verächter findet.
MATTHIAS GEHRING: Aber speziell der Frauenfußball hat sich doch mit dem Thema Homosexualität seit je her viel leichter getan und einen deutlich offeneren Umgang damit gepflegt als der Männerfußball?
MARKWART HERZOG: Frauenfußball war von Anfang an eine Exklave der Lesben. Stereotype aus der Männerwelt kamen dort nicht zum Tragen. Die Nationalspielerin und -trainerin Tina Theune hat im Jahr 1980 für ihre Diplomarbeit ermittelt, dass damals circa 30 bis 40 Prozent der Spielerinnen homosexuell war, im Spitzenbereich über 50 Prozent. Ich habe ehemalige FCK-Spielerinnen, die in den 1970er Jahren aktiv waren, interviewt, die mir das ebenfalls bestätigt haben. Der FCK war Mitte 1970 unter dem damaligen Präsidenten Willi Müller der erste Bundesligaverein, der eine „Damen“-Fußballabteilung gegründet hat. Übrigens zu einem Zeitpunkt, als der Frauenfußball im DFB noch verboten war. Der FCK war also auch bei diesem Thema seiner Zeit einen Schritt voraus. „Damen“-Fußball, so hieß der Frauenfußball damals.
MATTHIAS GEHRING: Selbst im Profifußball scheint der Bann noch nicht gebrochen. Zwar engagieren sich viele Vereine bei dem Thema mehr oder weniger. Bis heute allerdings hat sich außer Thomas Hitzlsberger, der sich auch erst nach Ende seiner Karriere öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte, noch kein aktiver Spieler geoutet. Woran liegt das Ihrer Meinung nach und was kann ein studierter Philosoph, Theologe und Kommunikationswissenschaftler betroffenen Sportlern, aber auch Vereinen und Verbänden beim Umgang mit dem Thema empfehlen?
MARKWART HERZOG: Die Verbände, Vereine und Fangruppierungen sollten sich jeder Form von gruppenbezogener Menschenverachtung entgegenstellen. Wenn der Sport glaubwürdig sein will, muss er in alle Richtungen gehen. So darf es beispielweise nicht sein, dass Fans die Sponsoren des Vereinsfußballs symbolisch zum Abschuss freigeben, wie es etwa mit Dietmar Hopp vielfach geschehen ist – Dietmar Hopp dem das Gemeinwohl im Sport, im Gesundheitswesen und in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen wichtig ist. Wer gegen Homophobie aufsteht, muss sich, und wenn es wiederum nur symbolisch ist, auch vor Dietmar Hopp von der TSG Hoffenheim, vor Klaus-Michael Kühne vom HSV oder vor Dietrich Mateschitz von RB Leipzig stellen, wenn diese Leute von antikapitalistischen Ultra-Vereinigungen mit menschenverachtenden Parolen überzogen werden. Und der DFB müsste rascher und klarer Farbe bekennen, wenn ein Nationalspieler wie Mesut Özil für einen Politiker wie Erdogan Propaganda macht, für einen Politiker, der in seinem Land religiöse Minderheiten unterdrückt und verfolgt, der die Rechte der Frauen missachtet und gegen Homosexuelle hetzt. Deshalb kann ich es überhaupt nicht verstehen, dass der DFB unter dem Präsidenten Fritz Keller bedingungslos die Nähe zu Özil sucht, der in der letzten Zeit in den sozialen Medien sogar mehrfach Nähe zu islamistischer Propaganda gesucht hat.Eine Antwort auf Ihre Frage, eine konkrete Handlungsempfehlung, ein Rezept habe ich nicht. Letztlich geht es in den Vereinen und Verbänden darum, wie sie mit den Menschen im Alltag umgehen, welches Menschenbild die handelnden Personen leben und vorleben.
MATTHIAS GEHRING: Am gestrigen Tag sorgte ein bedauerlicher Vorfall beim FCK erneut für viel Unmut. Vor der Westkurve des Fritz-Walter-Stadions posierten Aktivisten der Nazi-Partei „Der dritte Weg“. Sie verunglimpften und beleidigten den heutigen Gastverein Türkügcü München rassistisch, alles unter dem Motto „Türkücu München nicht willkommen“. Rassismus, Antisemitismus und Homophobie scheinen in europäischen Stadien mittlerweile wieder öfter Einzug zu halten. Wie werten Sie solche Entwicklungen rund um den Sport respektive den Profifußball?
MARKWART HERZOG: Solche Vorfälle sind selbstverständlich zu verurteilen. Sie haben im Sport nichts zu suchen. Aber wir sollten nicht nur verurteilen, sondern auch das Gespräch mit diesen Leuten suchen. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass Fans mit der Reichskriegsflagge auf den Betzenberg zogen. Präsident war damals Norbert Thines. Norbert hat nicht „Nazis raus! “ gerufen. Das ist billig, das kostet nichts. Vielmehr ist er unerschrocken zu diesen Leuten gegangen, hat im Stadion mit ihnen geredet, hat ihnen klargemacht, dass und warum solche Botschaften und Symbole nichts auf dem Betzenberg zu suchen haben. Das kostet natürlich Anstrengung und Mut. Das war eine Sternstunde in der Geschichte des FCK. Wir bräuchten heute mehr charismatische Persönlichkeiten wie den Norbert, die eine glaubwürdige Überzeugungsarbeit auch in dieser Richtung zu leisten im Stande sind.
MATTHIAS GEHRING: Der 1. FC Kaiserslautern hat sich zu dem gestrigen Vorfall auf seiner Internetseite und seinen Social-Media-Kanälen klar gegen den gestrigen Vorfall positioniert. Einige Fanclubs und Fangruppierungen übrigens auch. Viele Fans begrüßen es natürlich, wenn der Verein hier klar Stellung bezieht. Aber reicht das alleine aus? Was können Vereine aus der Geschichte lernen und wie können sie sich hier noch engagieren? Die vom Gesetzgeber für gemeinnützige Vereine geforderte politische und weltanschauliche Neutralität ist in unzähligen Satzungen verankert. Was aber gebietet sie dem Verein? Wo und wie kann ein Verein sich zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen überhaupt noch äußern und positionieren, wenn er dies qua Satzung eigentlich nicht dürfte? Wie kann und soll sich ein Verein wie der 1. FC Kaiserslautern, der die Wertewelt eines Fritz Walter zu seiner DNA erhoben hat, in der Öffentlichkeit präsentieren?
MARKWART HERZOG: Fritz Walter hat sich zu allgemeinpolitischen Themen nicht geäußert. Er wurde in einer Zeit sozialisiert, in der genau jener militärische Tugendkanon galt, über den wir vorher sprachen. Ebenso wie für den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt von der SPD war für Fritz Walter die Erfahrung der Soldatenkameradschaft im Zweiten Weltkrieg ein hohes Gut. Das waren Männerkameradschaften. Deshalb war Walter auch kein Freund des Frauenfußballs. Wenn Sie seine Bücher lesen, merken Sie, dass er nur an Sport, nicht an Politik interessiert war. Und so kann es auch heute nicht die Aufgabe von Fußballvereinen sein, sich zu allen möglichen gesellschaftlichen und politischen Themen zu äußern. Das stiftet nur Spaltung, das schadet dem Sport. Der DFB und die DFB-Vereine sollen Sportpolitik, nicht Allgemeinpolitik machen. Ganz anders sieht es aus, wenn durch Fans oder einzelne Spieler rechtsradikale, linksextremistische, homophobe oder islamistische Tendenzen in den Sport getragen werden. Dann müssen die Vereine auf die weltanschauliche Neutralität des Sports und die normativen Grundlagen unseres Staates, vor allem auf die Menschenwürde pochen. Die Vereine genießen nur deshalb steuerliche und andere Privilegien, weil sie in der Ausübung ihres Vereinszwecks dem Gemeinwohl dienen. Es genügt, wenn sie diesen Auftrag ordentlich erfüllen.
MATTHIAS GEHRING: Wir bedanken uns ganz herzlich für die ausführliche Beantwortung der Fragen. Hoffen wir, dass wir uns bald wirklich im Rahmen einer Präsenzveranstaltung sehen können. Auch um genau da weiter zu diskutieren, wo wir hier aufgehört haben.
Hinweise zu weiteren Aktivitäten und insbesondere Online-Angeboten anderer Vereine, Initiativen und Fangruppierungen rund um den Erinnerungstag im deutschen Fußball finden sich beispielsweise auf der Webseite der Queer Football Fanclubs.
mg
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