Mit Geschlossenheit und Einigkeit zu neuen Ufern
Die Herbsttagung von QueerNet RLP zeigt sich kämpferisch und besticht mit Einigkeit
Das queere Netzwerk QueerNet Rheinland-Pfalz hatte für den vergangenen Samstag zu seinem halbjährlichen Netzwerktreffen nach Kaiserslautern eingeladen. Delegierte von 20 Mitgliedsorganisationen aus dem gesamten Bundesland fanden sich bereits am frühen Vormittag im Pariser Hof ein, um eine prall gefüllte Agenda in Angriff zu nehmen. Dabei standen vor allem die aktuelle politische Situation in Rheinland-Pfalz, die eigene Standortbestimmung und eine damit verbundene Suche nach einem erfolgreicheren Weg für die künftige gemeinsame Arbeit im Fokus. Außerdem der kritische Blick auf die bisherige Arbeit der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) und der noch immer nicht hinreichend gewürdigten Interessen der LGBTI-Community. Abgerundet wurde das Mammutprogramm mit Erfahrungsberichten aus den Mitgliedsgruppen, Ausblicken auf die Arbeit im Jahr 2018 und die Finanzplanungen für das kommende Jahr.
Schon am frühen Samstagmorgen war angerichtet. Fast zwei Stunden vor Tagungsbeginn fanden sich Vertreter der queeren Gruppen aus Kaiserslautern in den Räumen der AIDS-Hilfe Kaiserslautern im Pariser Hof ein. Den Termin des Landesnetzwerkes hatten die Lauterer Organisatoren genutzt, um vor der Tagung in den letzten Jour Fixe Termin des Jahres zur Vorbereitung der PRIDE WEEK KL einzusteigen und die Fundamente für die Aktionswochen im kommenden Jahr festzulegen. Schon eine Stunde später trudelten dann die ersten Teilnehmer der queeren Landestagung ein. Genug Zeit bei einer heißen Tasse Kaffee das eine oder andere freudige Wiedersehen zu zelebrieren oder sich miteinander bekannt zu machen, ehe der Vorstand die Mitgliederversammlung pünktlich eröffnete und immerhin 20 stimmberechtigte Mitgliedsorganisationen begrüßen durfte. Nach der Erfüllung einiger Formalien aus der Tagesordnung, dann die ersten umfangreichen Diskussionen. Der Vorstand berichtete über die unverändert schwierige Situation zu der seit der letzten Landtagswahl veränderten Arbeitsschwerpunkte, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sowie den teilweise zähen und schwierigen Gesprächen mit den Ministerien in Mainz.
Davon betroffen sind seit Monaten auch gemeinsame Aktivitäten mit der Landesregierung, wie beispielsweise die aus Sicht von QueerNet unbefriedigende Form der Öffentlichkeitsarbeit, die historische Aufarbeitung der Lebenssituation von Schwulen und Lesben in Rheinland-Pfalz, die bislang verweigerte Aktualisierung des gemeinsam beschlossenen Aktionsplanes bis zum Ender der Legislatur im Jahr 2021 oder der dringend notwendigen Erweiterung des Projektes Familienvielfalt. Ein Gremium aus fünf Vertreterinnen und Vertretern wird in den kommenden Wochen die Situation analysieren und ein Positionspapier ausarbeiten, das bei der nächsten Frühjahrstagung im März 2018 vorgestellt werden und mit dem eine gemeinsam getragene Strategie auf den Weg gebracht werden soll, wie mit den veränderten Rahmenbedingungen umgegangen werden kann. Dahinter steht die erklärte und einmütige Absicht, den eigenen Zielen, Forderungen und Vorstellungen rund um alle LSBTI-Interessen auf Landesebene durch eine klarere Haltung mehr Gewicht und Aussicht auf erfolgreiche Durchsetzung zu verleihen. Man darf gespannt sein welche veränderte Ausgangsposition die Community hier einnehmen wird und wie die Herausforderungen aus einer neu definierten Position mit welchen Strategien angegangen werden.
Selbstkritik gab es aber auch bei den Fortschritten zu bereits gefassten Beschlüssen und Vorhaben. Im Frühjahr hatte man sich auf die Fahnen geschrieben, der Struktur von QueerNet Rheinland-Pfalz neue Impulse verleihen zu wollen und inhaltliche Arbeit effektiver zu gestalten. Zu den bei der letzten Mitgliederversammlung initiierten Fachgruppen gab es bis zum Herbst leider keine Fortschritte und keine zielführenden Rückmeldungen. Drei der sechs vorgeschlagenen Themenschwerpunkte sind personell noch immer unbesetzt, die drei bereits festgelegten hatten seit der letzten Tagung noch keinerlei Initiative ergriffen. Hier gilt weiterhin der Appell, engagierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden, um die Vorstandsarbeit entlang der definierten Fachgruppen sowohl inhaltlich als auch in der Fläche spürbar zu unterstützen. Die kontroversen und teils emotionalen Diskussionen wurden auch in der Mittagspause bei einer der Jahreszeit angemessenen kräftigen und köstlichen Kürbissuppe fortgeführt. Nach der verdienten Stärkung stand im zweiten Tagungsteil zunächst der Rückblick auf die Arbeit der letzten Monate an.
Dazu gehörte ein umfassender Einblick in die landesweit erbrachten Beratungsleistungen, die aktuelle Situation in neuen und bestehenden Jugendgruppen, die Angebote für ältere Schwule, die zunehmenden Anfragen und die erfolgreiche Umsetzung der landesweiten Initiative SchLAu Rheinland-Pfalz oder die steigende Nachfrage an Unterstützung rund um das Thema Trans*. Außerdem ging der Vorstand im Rückblick noch einmal auf die großartige Präsenz beim Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in Mainz ein, wo über das Projekt Vielfaltland über 20.000 regenbogenbunte Postkarten unter den Besuchern des Festtages in Mainz verteilt werden konnten! Für das Projekt Grundschulkoffer wurden am Samstag die notwendigen Schritte eingeleitet, um die von der Landesregierung präferierte Vorgehensweise, mit fünf entsprechend ausgestatteten Objekten, in einer ausgewählten Region im kommenden Jahr an den Start gehen zu können. Auch die Bemühungen das Netzwerk für queere Geflüchtete zu verdichten und zu optimieren zeigen Fortschritte. So finden auch in der Pfalz Betroffene gleich an drei Standorten (Kaiserslautern, Neustadt, Pirmasens) zumindest Anlaufstellen und konkrete Ansprechpartner.
Bevor die wohlverdiente Kaffeepause mit leckerem Backwerk lockte, ging der Blick dann noch einmal nach vorne. Neben der Bekanntgabe und Abstimmung von Terminen im Jahr 2018 für den IDAHOT, KISS THE PRIDE, CSD-Veranstaltungen, Ehrenamtstag sowie den Rheinland-Pfalz-Tag und einigen Neuerungen zur künftigen Öffentlichkeitsarbeit nahm die Versammlung dann noch einmal emotional kräftig Fahrt auf. Im Fokus stand die Arbeit der seit 2013 bestehende Landesantidiskriminierungsstelle. Bis heute wurde dort auf die Forderungen nicht eingegangen das „Merkmal“ sexuelle Identität als Diskriminierungserfahrung in die Öffentlichkeitsarbeit aufzunehmen. Obwohl hier mehrfach Besserung in Aussicht gestellt wurde. Seit mehr als drei Jahren! Speziell im aktuellen Flyer werden hier die LSBTI-Interesen in der bildhaften Darstellung in keiner Weise aufgeführt. Für die Delegierten ein nicht mehr hinnehmbarer Umstand, gegen den sie sich mit großer Mehrheit aussprachen. Nach Ansicht der Versammlung liegt die Ursache für die bisherigen Versäumnisse vor allem in der personellen Besetzung der Leitung der Stelle, weswegen hier ein Neuanfang auch in personeller Hinsicht als dringend erforderlich erachtet wird.
Der spätere Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der Rechenschaftsberichte des Vorstandes und der Finanzen für das Fiskaljahr 2018. Ein stets wiederkehrendes Prozedere, das in der Vergangenheit auch schon mehrfach für hitzige Diskussionen gesorgt hatte. Nicht so am vergangenen Samstag. Nach einer sachlichen und fairen Erörterung wurden die Mittelverwendung zur Förderung der ehrenamtlichen Strukturen in den sogenannten Zentren und die Förderung von Projekten mit leichten Korrekturen mehrheitlich verabschiedet. Allerdings hat insbesondere der Austausch um die Finanzförderungen gezeigt, dass die Benennung einer fünften queeren Region in Rheinland-Pfalz für die Zukunft sinnvoll erscheint. Daher wurde mehrheitlich die Region Ludwigshafen als neue Region neben Koblenz, Trier, Mainz und Kaiserslautern festgelegt. Am Ende fanden alle Anwesenden viel Lob dafür, dass der Tagungstag vor allem durch eines bestochen hatte. Ein hohes Maß an konstruktiver, engagierter und interessierter Mitarbeit in einem Klima eines höchst respektvollen Umgangs miteinander und zwar entlang aller bearbeiteten Themen. Auch diese Form von Einigkeit ist ein Zeichen wachsender Stärke um in einem Flächenbundesland ein so facettenreiches Themenfeld erfolgreich nach vorne zu bringen. Nicht immer eine Selbstverständlichkeit.
mg
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