Frust im Selbstbedienungsladen Betzenberg
Der FCK verliert gegen Hansa Rostock sein drittes Heimspiel in Folge
Ostersonntag. Bilderbuchwetter. Immerhin 21.517 Zuschauer waren auf den Betzenberg gepilgert, gut 3.500 davon aus Rostock. Chapeau für diese Kulisse, Chapeau für den Support der Gäste! Was jedoch die Fans im Lager der Roten Teufel von ihrer Mannschaft geboten bekamen, war Magerkost der kalorienärmsten Art! Gelang es der Mannschaft von Trainer Sascha Hildmann im ersten Durchgang noch dem Gegner spielerisch einigermaßen auf Augenhöhe zu begegnen, darf man den zweiten Durchgang getrost als Totalversagen werten. Über 90 Minuten gelang dem FCK nicht eine einzige eigene echte Torchance. In der zweiten Halbzeit machten die Gäste genau das, was sie im ersten Durchgang noch vermissen ließen. Sich vor dem gegnerischen Tor entschlossener, zielstrebiger und treffsicherer zu zeigen. Binnen 10 Minuten entschied Merveille Biankadi mit zwei blitzsauberen Toren die Partie für die Gäste und katapultierte damit die Akteure im roten Dress in tiefe Lethargie. Aber nicht nur die Spieler und Verantwortlichen auf dem Rasen und an der Seitenlinie!
Natürlich war es vor der gestrigen Partie für beide Mannschaften um nichts mehr oder zumindest um nicht mehr viel gegangen, wenn man das Tabellenbild im Hinterkopf hatte. Doch vor allem auf Seiten des FCK wäre gestern ein positives Signal der Mannschaft wichtig gewesen und hätte den Verantwortlichen, die seit Wochen hinter den Kulissen fieberhaft am wirtschaftlichen Schicksal des Vereins tüfteln, in die Karten gespielt. Bis kommenden Mittwoch noch besteht die Möglichkeit für Fans und Gönner des Vereins sich über die Plattform Kapilendo am Crowdlending zu beteiligen oder die Betze-Anleihe II zu zeichnen. Jeder noch so kleine Betrag würde mit dazu beitragen der Erfüllung der Bedingungen und Auflagen zur Erlangung der Drittliga-Lizenz für die kommende Spielzeit ein Stück weit näher zu kommen. Doch anstatt Euphorie zu erzeugen und damit möglicherweise weiteres Geld in die Kassen zu spülen, schafften es die Profis der Roten Teufel einmal mehr ihren eigenen Anhang in Frust, Enttäuschung und Depression zu stürzen. Eine vertane Chance! Nicht die erste in der laufenden Spielzeit, sportlich wie wirtschaftlich.
Dabei hatte sich die Mannschaft viel vorgenommen, schenkt man den Aussagen von Trainer Sascha Hildmann in der Trainingswoche Glauben. Gegenüber der Auswärtspartie in Cottbus hatte der Coach drei Änderungen in der Startelf vorgenommen. André Hainault kehrte nach seiner Gelbsperre wieder in die Innenverteidigung zurück und ersetzte Lukas Gottwalt. Christoph Hemlein kam für den verletzten Dominik Schad, Gino Fechner musste für Antonio Jonjic weichen. Schon die Anfangsphase der Partie war von wenig ansehnlichem gegenseitigem Abtasten geprägt. Die erste dicke Chance erspielten sich dann die Gäste. Doch Pascal Breier, der von Tanju Öztürk freigespielt wurde, agierte zu unentschlossen und anstatt selbst abzuschließen, verdaddelte der Stürmer die gute Möglichkeit mit einem ungenauen Abspiel (15.). Von der Lauterer Offensive war bis dahin wenig zu sehen. Lediglich Christian Kühlwetter sorgte mit einem beherzten Vorstoß in den Rostocker Strafraum für den Geruchshauch von Gefahr. Kurz vor dem Kabinengang die zweite dicke Chance der Gäste. Cebio Soukou steckte auf Merveille Biankadi durch, doch auch der quirlige Akteur mit der Nummer 17 zeigte sich zu unentschlossen und zog dem eigenen Abschluss in aussichtsreicher Position einen Querpass vor. Kevin Kraus klärte mit dem Fuß gerade noch so zur Ecke (44.). Somit ging es torlos in die Kabinen.
Nach dem Wechsel machten es die Gäste dann besser. Pascal Breier schickte von der Mittellinie den enteilten Merveille Biankadi, der nicht mehr einzuholen war und das Leder eiskalt flach ins lange Eck beförderte. Lennart Grill hatte hier keinerlei Abwehrchance (55.). Nur zehn Minuten später dann die Vorentscheidung. Cebio Soukou tankte sich auf der linken Seite an zwei Gegenspielern vorbei, zog den Ball in die Mitte, erneut Merveille Biankadi verlud mit einem Haken sowohl André Hainault als auch Lennart Grill und vollendete dann aus knapp 11 Metern zum 2:0 für die Gäste (65.). Trainer Sascha Hildmann brachte dann zwar mit Elias Huth und Julius Biada für Jan Löhmannsröben und Mads Albaek zwei weitere etatmäßige Offensivkräfte und stellte auf 4-4-2 um, doch wer geglaubt hatte, es würde nochmal ein Ruck durch die Mannschaft gehen, der sah sich enttäuscht. Es glich einem Lethargie-Virus, der auch Leistungsträger der zurückliegenden Wochen befallen zu haben schien. Carlo Sickinger beispielsweise zeigte einen soliden Auftritt, war aber von den Qualitätsmomenten aus den letzten Partien meilenweit entfernt. Symptomatisch, dass er einen Freistoß aus aussichtsreicher Position kurz vor dem Abpfiff zwar über die Mauer, aber auch mindestens zwei Meter über den Kasten der Gäste zirkelte.
Überhaupt fehlte es der Mannschaft von Trainer Sascha Hildmann an der Qualität fußballerischer Grundfertigkeiten. Nicht das erste Mal in der Rückrunde. Zahlreiche Ungenauigkeiten, haarsträubende Fehlpässe, einfachste Stockfehler und mangelnde Passqualität, unentschlossenes Zweikampfverhalten, schlechtes Stellungsspiel, fehlende Präzision in der Vorwärtsbewegung und im Defensivverhalten, um nur die prägnantesten Auffälligkeiten zu nennen, die den FCK-Akteuren gestern zu fehlen schienen. Das alles sind Grundfertigkeiten, die ein Profifußballer wenigstens einigermaßen beherrschen sollte. Auch in der dritten Liga. Auch wenn der Vergleich ein wenig hinken mag, aber man projiziere diesen Umstand mal auf andere Berufsgruppen. Was wäre, wenn in anderen Jobs gewisse Grundfertigkeiten plötzlich fehlerbehaftet wären oder gar überhaupt nicht mehr abgerufen würden? Wie würde man sich fühlen, wenn ein Chirurg am OP-Tisch oder ein Zahnarzt bei einer Wurzelbehandlung eine solche Wechselhaftigkeit der eigenen Leistung an den Tag legen würde? Wer würde sich so einem Mediziner noch anvertrauen wollen?
Die Gäste aus Rostock ließen nichts mehr anbrennen und ließen sich die Zwei-Tore-Führung nicht mehr nehmen. Schiedsrichter Daniel Schlager pfiff nach zwei Minuten Nachspielzeit ab. Während sich die einst legendäre Westtribüne längst in schweigender Schockstarre befand, ging drüben im Osten die Stimmung durchs Tribünendach. Nicht nur die Akteure in den weißen Trikots hatten ihrem Gegner auf dem Rasen den Rang abgelaufen. Auch stimmungstechnisch war die Partie ein klarer Sieg für die Hansa-Fans, die den Gästeblock in eine Partyzone verwandelten. Doch wer will es den FCK-Fans noch verübeln, wenn bei solchen Leistungen kaum noch jemand Bock auf Support hat? Es war die dritte Heimniederlage in Folge. Die einstige Bastion Betzenberg scheint gefühlt längst zum Selbstbedienungsladen verkommen zu sein. Gestern nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf den Rängen. Es ist auch die Furcht vor der Zukunft, die bei solchen Darbietungen die FCK-Seele lähmt. Viele Fans blicken mit Recht mit großer Sorge bereits jetzt auf die kommende Spielzeit.
Wie soll der FCK mit dieser Mannschaft, die ja im Wesentlichen zusammengehalten werden soll, aufsteigen? Eine uralte Regel. Wenn Du in einer Liga im oberen Tabellendrittel oder gar an der Tabellenspitze mitgeigen willst, musst Du Deine Heimspiele gewinnen. In bislang 17 Heimpartien konnte der FCK in der laufenden Saison jedoch nur fünfmal als Sieger vom Platz gehen. Zu wenig für das Anspruchsdenken, das der Verein hat und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch haben muss. Eine der ersten Maximen an denen es bis zum Saisonstart Mitte Juli mental und spielerisch zu arbeiten gilt. Jetzt schon! Natürlich war auch Hansa Rostock mit anderen Ambitionen in die Saison gegangen. Auch dort war das Ziel, den Aufstieg schaffen zu wollen. Auf die Frage eines Journalisten, woran es denn bei Hansa Rostock gelegen haben könne, dass man sich aktuell nicht unter den ersten drei der Tabelle befinde, traf es Trainer Jens Härtel bei der Pressekonferenz ziemlich genau auf den Punkt. Es fehle eben die Konstanz und man habe einfach zu viele Situationen liegen lassen, analysierte der Gästetrainer eine Momentaufnahme, die auch mehr als punktgenau auf die Situation des 1.FCK passt.
„Mannschaften, die jetzt oben stehen, schaffen es eben fast immer ans Limit zu gehen. Wenn Du denkst, das geht immer mal mit 90 Prozent, dann ist diese Liga viel zu stark und dann wirst Du bestraft. Die Kader sind eben nicht so, dass die alle problemlos in der zweiten Liga spielen könnten, sondern das sind halt Drittligakader. Trotzdem machen es die Mannschaften wie Osnabrück oder Halle vor, dass die nicht unbedingt die besseren Einzelspieler haben, aber dass Du als Mannschaft, als Gruppe, wenn Du zusammenhältst, wenn Du Deinen Plan konsequent durchziehst, dass Du dann halt auch ganz oben stehen kannst. Wenn Du dann halt mal Fahrt aufgenommen hast, wie das immer so ist im Fußball, dann gewinnst Du auch mal Spiele, wo Du nicht die bessere Mannschaft bist. Aber das musst Du Dir halt erst mal erarbeiten und davon sind beide Vereine (1.FCK und Hansa Rostock) im Moment ein Stück weit entfernt“, skizzierte Jens Härtel die aktuelle Situation der beiden gestrigen Kontrahenten durchaus treffend.
Wenn der letzte Spieltag abgepfiffen wurde, steht dem FCK nach der vergeigten Saison noch ein wichtiges Spiel ins Haus. Am 25. Mai treten die Roten Teufel im Finale des Verbandspokals gegen Regionalligist Wormatia Worms an. Nur der Sieger wird sich in der kommenden Saison im Los-Topf zur ersten Hauptrunde des DFB-Pokals wiederfinden. Für den FCK die letzte Chance, sich die Teilnahme am lukrativen Pokalwettbewerb zu sichern. Die zweite Teilnahme-Option, als Drittligist am Saisonende unter den ersten vier zu stehen, haben die Roten Teufel in den zurückliegenden Wochen bereits verspielt. Um im Finale gegen den Regionalligisten zu bestehen, wird viel von dem notwendig sein, was die FCK-Akteure gestern nicht geliefert haben. Es wäre angebracht in den letzten vier Punktspielen an genau diesen Defiziten zu arbeiten. Man müsse jetzt aufpassen, die Saison nicht mit einer Negativstimmung zu beenden, warnte gestern auch Geburtstagskind Jan Löhmannsröben. „Das tut hier keinem gut.“ Den weisen Worten sollten nun aber auch endlich mal Taten folgen
mg
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