Ein Schlussakt wie ein schmerzhafter giftiger Stich
Der 1.FCK kassiert in der Nachspielzeit den Ausgleich und bringt sich um verdienten Lohn
Eine Mischung aus Wut und bitterer Enttäuschung prägte die unzähligen Diskussionen und Gespräche der Fans nach der gestrigen Heimpartie der Roten Teufel gegen Fortuna Köln. Hitzig und emotional wurde in den Stadionumläufen debattiert, denn nach 90 Minuten stand ein 3:3 Unentschieden in der Ergebnisstatistik. Im Mittelpunkt der Diskussionen, Keeper Jan-Ole Sievers. Dem FCK-Torwart unterlief in der Nachspielzeit ein Patzer, als er bei einem von rechts getretenen Eckball im Fünfer den Ball nicht festhalten konnte und dieser ihm aus den Händen glitt. Die Kugel kullerte Boné Uaferro vor die Füße. Der Kölner Defensivhüne fackelte nicht lange und netzte zum 3:3 Endstand ein (90.+1). Wieder kurz vor Schluss, wieder in der Nachspielzeit. Dabei hatte die Mannschaft von Michael Frontzeck alles an Moral, Einsatzwille und Leidenschaft in die Waagschale geworfen, hatte einen 0:2 Rückstand noch vor dem Pausenpfiff egalisiert und ging in der 88. Minute durch ein Traumtor von Theo Bergmann in Führung, der einen Freistoß aus 20 Metern Entfernung über die Mauer hinweg in den Winkel zirkelte. Doch die verbleibende Spielzeit reichte nicht, um den Dreier festzuhalten.
Dieser Last-Minute Schlag war keine neue Erfahrung für die in der Sommerpause neu formierte Mannschaft. Bereits die Heimpartie gegen Preußen Münster am 3. Spieltag ging mit 1:2 verloren. In der 2. Minute der Nachspielzeit! Auch vor knapp zwei Wochen musste der FCK in Zwickau einen späten Ausgleich hinnehmen, durch einen unberechtigten Strafstoß. In der 2. Minute der Nachspielzeit! Verständlich, dass die Gefühlslage der Akteure im roten Dress gestern Abend schwer angeschlagen schien. „Dann bekommst Du wie in Zwickau so ein Ei hinten rein. Das tut brutal weh“, gab Theo Bergmann nach dem Abpfiff einen Einblick in seine Gefühlswelt. Auch Timmy Thiele schlug in die gleiche Kerbe, nicht ohne den Blick schon wieder ein wenig nach vorne zu richten. „Es tut wahnsinnig weh. Aber wir brauchen den Kopf nicht in den Sand zu stecken“. Recht hat er, denn die Mannschaft hat gestern über weite Strecken gut gespielt. Auch wenn vorne wie hinten noch immer Defizite auszumachen sind.
Die Roten Teufel gingen hoch motiviert in die Partie, hatten bereits früh ihre ersten Möglichkeiten. In der 4. Minute vergab Julius Biada. Nur zwei Minuten später hätte Christoph Hemlein die Gastgeber in Führung bringen können, doch Keeper Nikolai Rehnen parierte dessen Schuss von der Ecke des Sechzehners bravourös (6.). In der 8. Minute zog erneut Julius Biada im Strafraum ab, doch der Ball ging links unten vorbei. Die kalte Dusche folgte auf dem Fuße. Durch den anfänglichen Offensivdrang der Lauterer eröffneten sich Räume für die gefährlichen Konter der Kölner, die mit ihrem ersten vors Tor getragenen Angriff gleich in Führung gingen. Robin Scheu setzte sich auf halblinks gegen Janek Sternberg durch, fackelte nicht lange, zog ab und traf ins kurze Eck (9.). Da wurde Jan-Ole Sievers kalt erwischt! Es kam allerdings noch schlimmer. Der Kölner Kapitän Hamdi Dahmani setzte sich auf der Außenbahn gegen zwei Gegenspieler durch und spielte flach vors Tor. Jan-Ole Sievers kam aus dem Fünfer raus, hechtete nach dem Ball und verpasste ihn. Moritz Hartmann reagierte gedankenschnell, umspielte den Lauterer Keeper und schob in den leeren Kasten zum zweiten Kölner Treffer ein (31.). Da fehlte in beiden Spielsituationen in der Entstehung beherztere Defensivarbeit!
Was man der Mannschaft von Trainer Michael Frontzeck hoch anrechnen muss, sie steckte nicht auf und schien auch nach dem zwei Tore Rückstand noch an sich zu glaube. Da dürften in dieser Phase des Spiels auf den Rängen schon deutlich mehr Zweifler konsterniert auf das satte Grün gestarrt haben. Die Antwort der Roten Teufel ließ auch nicht lange auf sich warten. In der 35. Minute war es Timmy Thiele, der auf Zuspiel von Julius Biada aus halblinker Position im Sechzehner abzog und ins rechte untere Eck traf. Fast hätte der Neuzugang aus Jena ein Doppelpack geschnürt, denn nur eine Minute nach seinem Treffer schoss er einen Abpraller des Kölner Keepers über den Kasten. Aber der Ausgleich sollte noch fallen. Nach einer Ecke von Hendrik Zuck stieg Kevin Kraus am höchsten. Seinen Kopfball konnte der Kölner Keeper nur nach vorne abprallen lassen. Julius Biada stand goldrichtig und staubte ab (44.). Der Betze tobte! Erstaunlich, dass eine so spärliche Kulisse in einem so großen Stadion so einen Höllenlärm verursachen kann.
Eine turbulente erste Halbzeit und die 17.588 Zuschauer, die gestern Abend den Weg ins Fritz-Walter-Stadion gefunden hatten, sahen auch einen überaus spannenden zweiten Durchgang. Die Roten Teufel machten dort weiter, wo sie vor dem Halbzeitpfiff aufgehört hatten. Mit druckvollem Offensivspiel. Kevin Kraus (49.) und Hendrik Zuck (50.) setzten mit Distanzschüssen erste Duftmarken. Glück für den FCK, dass Jan-Ole Sievers am gestrigen Abend auch lichte Momente hatte. Moritz Hartmann lief allein auf den Lauterer Keeper zu, fand aber im Schützling von Gerry Ehrmann seinen Meister (60.). Glück auch wenige Minuten später. Kwame Yeboah drang in den Strafraum ein, wurde von Lukas Gottwalt etwas ungestüm zu Fall gebracht. Strafstoß. Doch die Kölner nutzten die Chance nicht, Moritz Hartmann semmelte die Kugel weit über den Kasten (63.). Aufatmen und Trotzreaktion waren angesagt und die sollte auch spürbar kommen.
In der Folge gab es Chancen im Minutentakt. Mads Albaek per Schuss (72.), Lukas Gottwalt per Kopf (77.), Theo Bergmann (85.) und Christoph Hemlein (85.) vergaben beste Möglichkeiten auf Seiten des FCK. Robin Scheu versuchte sich auf Seiten der Gäste in einer Kopie des Führungstreffers, doch dieses Mal war Jan-Ole Sievers hellwach (80.). Nur zwei Minuten vor dem Ende die Erlösung für die aufopferungsvoll marschierenden Lauterer. Theo Bergmann, der in der Halbzeitpause für Julius Biada gekommen war, legte sich vor dem gegnerischen Sechzehner den Ball für einen Freistoß zurecht, den er sehenswert über die Mauer zirkelte und unerreichbar für Keeper Nikolai Rehnen im Netz unterbrachte (88.). Der Berg bebte! Der FCK hatte das Spiel gedreht. „Eigentlich vom Gefühl her das Beste, was im Fußball passieren kann“, beschrieb der Kunsttorschütze nach dem Spiel den Moment, den das Lauterer Lager nur knapp drei Minuten genießen konnte. In der Nachspielzeit kamen die Gäste zu ihrer erst zweiten Ecke. Der Ball kam in den Fünfmeterraum, Jan-Ole Sievers stieg hoch, konnte im Getümmel den Ball nicht festhalten. Boné Uaferro stand goldrichtig und staubte zum 3:3-Endstand ab (90.+1). Bitter für den FCK und seine Fans. „Das fühlt sich an wie ein schmerzhafter giftiger Stich“, resümierte ein Fan auf der Tribüne und traf damit sicher punktgenau die Gefühlslage aller, die gestern für ihren FCK im Stadion waren.
Giftig ging es gestern übrigens auf den Rängen auch ohnehin zu. Nicht nur aufgrund der Aktionen auf dem Feld. In den jeweils ersten fünf Minuten jeder Halbzeit quittierten die FCK-Fans die Einführung von Montagsspielen in der dritten Liga mit Beginn zur aktuellen Saison. Giftig laut, dank tausender Trillerpfeifen, die vor der Partie an die Zuschauer auf der Westtribüne verteilt wurden. Einmal mehr ein schriller, lautstarker und scharfer Protest gegen die gefühlte Ignoranz des Dachverbandes, der seit Jahren die Belange und Wünsche der Fans in allen drei oberen Ligen ignoriert und nun auch noch in der dritten Liga Montagsspiele eingeführt hat. Mit Anstoßzeiten, die alles andere als fanfreundlich sind. „We don’t like Mondays – FCK-Fans gegen Montagsspiele“ lautete das während der ersten Halbzeit über die gesamte Breite der Westtribüne gespannte Transparent.
Gefühlt giftig fühlten sich nach dem Abpfiff nicht nur in den Stadionumläufen diverse Debatten an. Auch im Presseraum fand noch eine emotionale Auseinandersetzung statt. Michael Frontzeck reagierte auf eine Frage des Kicker-Journalisten Carsten Schröter mit einer verbalen Keule. Der Lauterer Trainer konfrontierte den langjährigen Berichterstatter des Sportmagazins Kicker mit der Perspektive, dass er mit ihm „in diesem Leben nicht mehr über Fußball reden“ werde. Der Gescholtene hatte im Vorfeld der Partie gegen den Karlsruher SC in einem Artikel eine FCK-Standortbestimmung vorgenommen und die rhetorische Frage aufgeworfen, wann Sportdirektor Bader reagieren müsse und die Mechanismen der Branche wirken würden. Ein klarer Angriff auf die Person und die Arbeit von Michael Frontzeck. Wohlgemerkt nach dem vierten Spieltag!
Man kann die Reaktion von Michael Frontzeck als überzogen oder unangebracht werten. Sie ist in jedem Fall konsequent. In den vergangenen zwei Wochen haben wir unseren „Kellogs-Löh“ als Typen gefeiert. Es wäre von Seiten der Fans an der Zeit, sich an so einer Stelle auch mal hinter unseren Trainer zu stellen! Die schreibende Zunft sollte sich für die Zukunft übrigens mal hinterfragen, ob es für den Fußball wirklich immer zielführend ist, schon am dritten oder vierten Spieltag einer Saison bei einem Verein die Trainerfrage zu stellen. Egal ob rhetorisch zwischen den Zeilen versteckt oder direkt ausgesprochen. Hinsichtlich einer Form von „Öffentlichkeit“ macht es nämlich schon einen Unterschied, ob ein Trainer nach dem ersten Anschein eines Geruchs der Note „Erfolglosigkeit“, reflexartig in Fan-Foren des eigenen Vereins hinterfragt wird, oder ob solch eine Fragestellung im größten deutschen Fachmagazin journalistisch unter dem Label „Seriosität“ dem Leser verkauft wird.
Am Ende dieses intensiven gestrigen Spiels fühlte sich die Punkteteilung für alle Lauterer natürlich wie eine Niederlage an. Aber attestieren darf man der Mannschaft, dass sie Leidenschaft auf den Platz getragen hat und dass sie einen Rückstand egalisiert und das Spiel gedreht hatte. Dennoch, die Defizite in der Abwehrleistung müssen unbedingt abgestellt werden und die Effektivität in der Chancenverwertung muss dringend erhöht werden, dann wird da mehr als ein Schuh draus. Am kommenden Samstag geht es nun nach Jena. Zweimal gastierte der FCK in dieser Saison nun schon im Osten. Bei einer Niederlage und einem Remis wäre von der Arithmetik her ja nun eigentlich ein Dreier dran!
mg
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