Haltung könnte und sollte jeder zeigen
Podiumsdiskussion zum Thema Rassismus im Sport

Das Podium. Von links: Stefan Roßkopf, Alex Shehada, Markus Pfalzgraf, Manfred Paula und Dirk Leibfried (Foto: Queer Devils)
Für den vergangenen Donnerstag hatten die Queer Devils und der 1.FC Kaiserslautern im Rahmen der FARE-Aktionswochen zur Podiumsdiskussion „Rassismus auf Rängen und Rasen – Rolle des Sports bei der Integration“ in den Presseraum des Fritz-Walter-Stadions eingeladen. Rund 20 interessierte Besucher waren der Einladung gefolgt. Das Podium moderierte Markus Pfalzgraf vom Südwestrundfunk (SWR), der den Akteuren an seiner Seite interessante Blickwinkel und Erfahrungen rund um das schwierige Thema entlockte, ehe sich gegen Ende der Veranstaltung auch mit dem Publikum eine lebhafte und konstruktive Diskussion ergab. Die Erkenntnis des Abends – es hat sich in vielen Bereichen des Sports in den zurückliegenden Jahren zwar schon viel getan und positiv entwickelt, doch das Thema wird uns leider auch weiterhin beschäftigen. Gefordert sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur Verbände und Vereine, wenn es darum geht, Haltung gegen Rassismus zu zeigen. Das kann und sollte auch jeder einzelne tun. Als Sportler, als Vereinsmitglied, als Zuschauer an der Seitenlinie oder auf der Tribüne.
Eine gesellschaftliche Diskussion rund um das Thema Rassismus nahm im Sommer dieses Jahres in Deutschland durch die Vorkommnisse rund um die Person Mesut Özil besonders an Fahrt auf. Die daraus resultierende Umgangskultur mit dem Fußballer und Menschen Mesut Özil waren ein klassisches Beispiel dafür, wie tief in einer Gesellschaft ein gewisses Einteilungs-Denken noch immer zementiert ist. Wesensmerkmal dabei, das Fremde, das Anderssein und die damit verbundenen latenten Ängste, die letztlich dazu führen, ein Werteschema und Wertemaßstäbe zwischen „wir“ und „die“ anzulegen. Anstatt nur den Menschen als Individuum zu betrachten, entstehen so Gesinnungen mit teils gefährlichen ideologischen Zügen, die zwangsläufig zu Konflikten führen. Konflikte, die es auch innerhalb eines eigenen Teams geben könne, wie Alex Shehada, früherer Jugendkicker des 1.FCK und jetzt Juniorenspieler beim SV 07 Elversberg berichten konnte. Der U19-Stürmer mit palästinensischen Wurzeln, der auch für die Junioren-Nationalmannschaft Palästinas aufläuft, konnte auch über Erfahrungen berichten, dass auch eigene Mitspieler aufgrund eines äußeren Erscheinungsbildes einen schon mal herablassend behandeln würden.
Es sei eine verantwortungsvolle Aufgabe, die der Sport hier schon in der Jugendarbeit verankern müsse und dies auch bereits facettenreich umsetze, erläuterte Manfred Paula, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des 1.FC Kaiserslautern. Signifikant vorhandene Vorbehalte oder gar Schmähungen innerhalb der eigenen Mannschaft sehe er weniger. „Die Jungs wissen sehr wohl, dass sie ihre sportlichen Ziele nur in einem funktionierenden Team erreichen können“. Innerhalb eines archetypischen Freund-Feind-Schemas könne es natürlich schon hin und wieder vorkommen, sich einen Spieler des gegnerischen Teams mal verbal vorzunehmen, räumte Paula dennoch ein. Aber genau das wolle man mit den in der eigenen Jugendarbeit manifestierten Werten natürlich verhindern. Selbstverständlich gehöre es auch auf dem Fröhnerhof zu den FCK-Werten und Normen einem Verhalten, das von solchen Ressentiments getragen wird, entgegenzuwirken und dies auch klar zu vermitteln. Bei Fehlverhalten könne man heranwachsende Fußballer am ehesten und nachhaltigsten sanktionieren, wenn man sie bei der nächsten Partie mal aus dem Kader rausnimmt oder mal kurze Zeit vom Training ausschließt. Das wirke immer.
Rassismus ist kein Kavaliersdelikt! Es verletzt die Würde des Menschen. Darin waren sich die Vertreter auf dem Podium von Anfang an einig. Passend dazu war Gesprächsthema auch der Vorfall bei einer Begegnung der Kreisliga A im Südbadischen Fußballverband zwischen dem FC Weizen und dem SC Lauchringen, der vor wenigen Wochen bundesweit für Aufregung sorgte. Dort wurde kurz vor Ende der Partie beim Stand von 4:1 ein Spieler des Gastvereins, der aus Ghana stammt und der an der Seitenlinie ein Foulspiel begangen hatte, von Zuschauern massiv und auf üble Weise rassistisch beschimpft und beleidigt. Bei dem jungen Ghanaer, der hier in Deutschland eine neue Heimat gefunden hat, brachen alte Trauma-Wunden wieder auf. Er verließ sichtlich getroffen das Spielfeld. Seine Mannschaft hat unter Führung von Kapitän Tobias Kummer daraufhin das Spielfeld verlassen und so für einen Abbruch der Partie gesorgt. „Hier hätte es auch eine viel einfachere Möglichkeit gegeben, so ein unmögliches Zuschauerverhalten zu ahnden. Der Schiedsrichter hatte den Vorfall mitbekommen, er hätte die Partie einfach nur abbrechen müssen. Die Statuten geben ihm dazu auch eine rechtliche Handhabe“, erläuterte Dirk Leibfried, ehrenamtlicher Funktionär des Südwestdeutschen Fußballverbandes (SWFV) und gleichzeitig engagierter Amateurschiedsrichter.
Das von Leibfried angesprochene Versäumnis des Unparteiischen hätte dann auch gleichzeitig die Spielwertung verändert und der gastgebende Verein, von dessen Zuschauern die Schmähungen ausgegangen waren, wäre leer ausgegangen. Laut Leibfried gebe es im Amateurbereich an den Wochenenden auf den unzähligen Plätzen noch viel Nachholbedarf, weil Beleidigungen und Schmähungen, die in ihrer Art und Qualität alles andere als Spaß seien, noch immer viel zu oft passierten. „Wenn mir in der Stadt einer begegnet, der mich als schwule Sau beschimpft, den zeige ich an! Wenn ich als Spieler oder Schiri auf dem Platz stehe und mir von der Außenlinie oder der Tribüne ähnliches widerfährt, habe ich persönlich keine Chance mich zu wehren“. Hier würde man sich wünschen, dass vor allem die Schiedsrichter mutiger den sich ihnen bietenden Handlungsrahmen ausschöpften. Aber im Amateurbereich seien auch die Verantwortlichen der Vereine gefragt, die auf den kleineren Plätzen der unteren Ligen leicht auszumachenden Übeltäter zu stellen und auch mal vom Vereinsgelände zu verweisen.
Eine Vorgehensweise, die im Stadion schon deutlich schwieriger sein dürfte, schilderte Stefan Roßkopf, Pressesprecher und früherer Fanbetreuer des 1.FC Kaiserslautern, die etwas kompliziertere Situation bei Heimspielen des 1.FCK im Fritz-Walter-Stadion. Auch wenn der Verein immer wieder versuche die Werte-Welt des Fritz-Walter-Vereins hoch zu halten – man dürfe sich nichts vormachen. Natürlich gebe es auch unter zwanzigtausend oder dreißigtausend Zuschauern schwarze Schafe. Es sei nicht immer einfach bei entsprechendem Fehlverhalten die Betreffenden auszumachen, um rechtlich dagegen vorzugehen. Zumindest nicht für Vereins-Offizielle. Das könne bestenfalls noch der Ordnungsdienst wahrnehmen und versuchen einzuschreiten. Aber es gebe auch noch ein weiteres Korrektiv, dessen Wirkung man nicht unterschätzen sollte. „Es muss jeder Fan für sich entscheiden. Finde ich das noch okay, was da einer grade von sich gibt? Sehe ich etwa drüber hinweg, nur weil er eben auch FCK-Fan ist? Oder distanziere ich mich davon und stelle mich dagegen?“ Haltung zu zeigen sei nicht immer einfach und erfordere Mut. Aber man finde auch auf der Tribüne immer Gleichgesinnte, mit denen man sich zusammentun könne.
Für die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas waren auch am vergangenen Donnerstagabend keine allumfassenden Lösungen zu finden. Das war sicher auch nicht der Anspruch der Veranstaltung. Dennoch herrschte um die wesentlichen Erkenntnisse herum recht viel Einigkeit. Das war auch nicht verwunderlich, denn vor allem im Publikum saß niemand, der eine konträre Meinung oder Haltung vertreten hätte. Im Grunde im Sinne einer kontroversen Diskussion fast irgendwie bedauerlich. Im Vorfeld der Veranstaltung waren nämlich in den Kommentarspalten sogenannter sozialer Netzwerke sowie in einschlägigen Foren diejenigen in der Überzahl, die eine Veranstaltung dieser Art als überflüssig abkanzelten, die Existenz von Rassismus negierten und das Engagement sowie die Haltung des 1.FCK bei solchen Themen ins Lächerliche zogen. Die üblichen Hetzer und Feiglinge eben, die den Arsch nicht in der Hose haben, sich dann auch mal einem gesellschaftlichen Diskurs zu stellen und ihre Haltung außerhalb der Wohlfühlwelt von Facebook & Co. in der Öffentlichkeit zu vertreten. Aber wenn solche Akteure dann wenigstens auch auf der Tribüne die Klappe halten, dann ist ja auch schon etwas gewonnen.
mg
Kommentare
Haltung könnte und sollte jeder zeigen — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>