Frostiger Gegenwind am Betzenberg
Enttäuschende Nullnummer gegen Wiesbaden lässt Stimmung kippen
Nach zwei Niederlagen in Folge hatten sich die Akteure im Dress der Roten Teufel beim Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden viel vorgenommen. Ein Dreier sollte her, um die Aufstiegszone nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Die Ansage blieb eher leere Worthülse, denn viel gesehen hat man davon nicht am gestrigen Nachmittag. Am Ende stand ein torloses Remis zu Buche. Das war nicht nur ein zur trostlosen Novemberwitterung passendes Ergebnis. Es war spielerisch über weite Strecken fast ein Armutszeugnis, was die Mannschaft von Trainer Michael Frontzeck den 18.716 Zuschauern gestern bot und was die Fans auf die Palme brachte. Vor allem in der ersten Halbzeit wirkte das Spiel des FCK über weite Strecken planlos, hilflos, ideenlos. Zur Pause hätte sich niemand beschweren dürfen, wenn die Gäste mit einem oder zwei Treffern in Front gelegen hätten. Aber auch im zweiten Durchgang lief nicht viel zusammen in den Reihen der Roten Teufel. Am Ende stand ein torloses Remis, weil auch die Gäste vorne zu fahrlässig agierten und auch weil der gestern souveräne Schiedsrichter Manuel Gräfe zumindest einmal danebenlag.
Es lief bereits die 27. Spielminute, als Patrick Schönfeld in den Lauterer Strafraum eindrang und im Zweikampf mit Lukas Gottwalt zu Boden ging. Die Pfeife blieb zum Entsetzen der Gäste stumm. Eine klare Fehlentscheidung. Glück für die Roten Teufel. Bis dahin eigentlich die erste nennenswerte Chance überhaupt. Hüben wie drüben. Viel Leerlauf auf beiden Seiten prägte diese erste halbe Stunde. Die Gäste gefielen bis dahin zwar durch mehr Spritzigkeit, mehr Ballsicherheit und schnelleres Spiel, was sich zunächst jedoch auch auf deren Seite nicht in einer höheren Chancenquote widerspiegelte. Erst wenige Minuten vor dem Pausenpfiff gaben beide Teams den Zuschauern Anlass für Herzrasen. Zunächst hatte erneut der FCK riesengroßes Glück, als die Hessen nach einem Freistoß die Führung gleich dreifach auf dem Fuß hatten. Das Leder fand aus dem Halbfeld den Weg zu Manuel Schäffler der per Kopf nur den Pfosten traf. Den Abpraller nahm sich Daniel-Kofi Kyereh vor, Lukas Gottwalt klärte. Der abgewehrte Ball kam zu Jeremias Lorch, in dessen Schuss sich Jan Löhmannsröben warf und quasi auf der Linie klärte.
Im Gegenzug dann die erste echte Chance für die Gastgeber, aber der Schuss von Theo Bergmann aus 18 knapp Metern ging knapp am Wiesbadener Tor vorbei. Eine einzige magere Lauterer Torchance über 45 Minuten. Für viele Zuschauer zu wenig. So ging es also mit dem 0:0 in die Pause, wobei schon zu diesem Zeitpunkt deutliche Unmutsbekundungen den Weg der FCK-Akteure auf dem Gang in die Kabine begleiteten. Im ersten Durchgang gab es ohnehin nicht sonderlich viel, was dazu hätte antreiben können von der Tribüne aus das Spielfeld mit einem lautstarken Akustik-Teppich einzudecken. Auch nach dem Seitenwechsel waren die Gäste die bessere Mannschaft, zeigten einen gepflegteren Fußball und waren spielerisch deutlich überlegen. Der FCK stand tiefer, versuchte aber zumindest mit schnellerem Umschaltspiel etwas offensivstärker aufzutreten. Leider so wie im ersten Durchgang auch allzu oft mit zu wenig Präzision und Konzentration.
Dennoch, einen ersten Warnschuss von Christian Kühlwetter pflückte sich der Wiesbadener Keeper Markus Kolke. Aber es sah eben vieles eher nach viel Zufall aus. Mit zunehmender Spieldauer erlahmte auch der Support von den Rängen. Phasenweise war es beängstigend still im Stadion, vor allem aus westlicher Richtung. Es waren nur wenige schnellere Spielzüge mit sichtbarem Offensivakzent, die dazu verhalfen die Kulisse aus der Akustiklethargie rauszuholen. Doch kaum wurde ein aufkommender anfeuernder Geräuschpegel mit einhergehender zunehmender Körperspannung aufgebaut, verwandelte sich selbiger wegen eines ungenauen Abspiels, einem fahrlässigen Ballverlust oder wegen einem fehlenden letzten entscheidenden Pass in ein unüberhörbares genervtes Stöhnen.
Dennoch blieben die Gäste mit ihrem druckvolleren Spiel immer gefährlich. Nach einem weiteren Freistoß lenkte Daniel-Kofi Kyereh den Ball über die Querlatte (58.). Nach 66 Minuten reagierte Michael Frontzeck und brachte mit Florian Pick und Elias Huth zwei frische Offensivkräfte. Bei den Roten Teufeln sollte einmal mehr eine Standardsituation endlich mal für Torgefahr sorgen. Nach einem Freistoß von links kam Jan Löhmannsröben zum Kopfball. Der Keeper der Hesse reagierte sensationell und lenkte die Kugel mit den Fingerspitzen noch an den Pfosten (68.). Doch ein erwarteter und dauerhaft anhaltender Ruck ging leider nicht durch die Mannschaft, was die Kulisse unüberhörbar mit dem obligatorischen „wir woll’n Euch kämpfen seh‘n“ quittierte.
Doch auch die Intention mit Julius Biada noch eine weitere frische Offensivkraft einzubinden blieb ohne spürbaren und sichtbaren Erfolg. Lediglich Standards sorgten hüben wie drüben für Gefahr. Ein Freistoß von Niklas Schmidt ging nur knapp über das Lauterer Tor (82.). Christian Kühlwetter hatte nach einem ruhenden Ball eine Kopfballchance, agierte dabei jedoch zu ungeschickt. Bei einem Freistoß von Mads Albaek war der Wiesbadener Keeper erneut hellwach und kratzte das Leder von der Linie. Aber auch der Nachschuss von Elias Huth wollte nicht ins Netz. Die letzte Chance in der Nachspielzeit hatten die Gäste, als Jules Schwadorf einen satten Schuss absetzte, Kevin Kraus klärte auf der Linie. Danach war Schluss auf dem Rasen, nicht jedoch auf den Rängen. Die lautstarken „Frontzeck-raus“ Rufe erschallten nicht erst jetzt ungehemmt und lautstark begleitet von einem gellenden Pfeifkonzert.
Nachdem sich die Mannschaft im Mittelfeld zum obligatorischen Team-Kreis zusammengefunden hatte und danach auf den Weg Richtung Westkurve machte, quittierte vor allem der ausgewechselte Christoph Hemlein die wütenden Pfiffe seinerseits mit wilden Gesten und sichtbar lautstarkem Protest. Unter anderem davon provoziert sprangen mehrere Dutzend Fans über die Absperrung und erwarteten die Mannschaft an der Werbebande mit wütenden Gesten und Verbalattacken. Positiv, die Mannschaft stellte sich der emotional brodelnden Situation und ließ sich auf Diskussionen und Gespräche ein. Auch das sicher keine Selbstverständlichkeit und einige der Akteure im FCK-Trikot brachten auch Verständnis auf für die ungewöhnliche Dialog-Situation. „Für die Fans habe ich ein Stück weit Verständnis. Es ist der Rucksack, den wir mit uns rumtragen müssen“, räumte Kapitän Wolfgang Hesl nach dem Abpfiff ein. Auch Janek Sternberg zeigte im SWR-Interview Verständnis für die Fans, zeigte sich aber auch ein wenig irritiert. „Ich habe das Gefühl die Fans glauben, wir wollen so ein Spiel nicht gewinnen. Das ist natürlich nicht so“.
„Ich spreche ihnen nie ab, dass sie wollen“, äußerte sich Trainer Michael Frontzeck zu der dürftigen Darstellung am gestrigen Nachmittag. Entscheidend sei aber auch, ob man diese Liga annehme, oder ob man sage man sei der große FCK. Bei allem Verständnis an den gestrigen Reaktionen war diese Haltung, die der Chefcoach sinngemäß in der Pressekonferenz wiederholte, auch ein Stück Kritik an der Erwartungshaltung des Umfeldes. Eine Kritik, die man in ihrer Wortwahl zumindest als kritisch werten muss. Es mag sein, dass es Fans gibt, die in der bitteren Realität eines jetzt und hier immer noch mit Wehmut an erfolgreiche Zeiten denken und mit dieser Erinnerungswelt im Gepäck die Realität der dritten Liga komplett ausblenden oder gar negieren. Doch dieses Denkmuster ist eher nur einer kleinen Minderheit zuzuschreiben.
Es ist vielmehr die quälende Angst, die viele Fans umtreibt und die für die gestrigen Reaktionen verantwortlich sind. Die Angst, dass der seit zwei Dekaden anhaltende Niedergang dieses einst ruhmreichen Clubs auch weiter anhält und man sich am Ende dieser schmerzhaften Fühlwelt und einer damit verbundenen kausalen Gedankenkette vor dem absoluten Super-Gau wiederfindet. Einem finalen Worst-Case-Szenario, dessen Folgen man gar nicht aussprechen mag. Es ist diese Angst, die das Wesen der aktuellen Stimmung erklärt. Nicht die Träumereien und Verklärungen an glanzvolle vergangene Zeiten. Es ist im Sinne des Zusammenhalts nicht förderlich, zu behaupten, das Umfeld würde die dritte Liga nicht annehmen. Nicht bei einem aktuellen Zuschauerschnitt von rund 24.000 Besuchern pro Heimspiel! Nach einer Partie wie dem gestrigen Heimspiel eine solche Aussage in der Öffentlichkeit zu äußern ist kontraproduktiv und fahrlässig. Entscheidend ist nämlich nicht was gesagt wird, entscheidend ist, was ankommt! Wer allerdings die Forderung erhebt, das Umfeld des FCK müsse die dritte Liga endlich annehmen und akzeptieren und damit meint, dass Fans, Umfeld und auch Funktionsträger sich damit abfinden müssten, das man möglicherweise ein paar Jährchen in den Niederungen des Profifußballs verweilen würde, der verteilt gleich mehrere schallende Ohrfeigen.
Einmal würde damit die von der Clubführung zu Saisonbeginn ausgegebene Maxime Aufstieg torpediert. Selbst wenn die Verantwortlichen schon seit der Sommerpause akribisch daran arbeiten, auch die Finanzierung einer zweiten Drittliga-Saison hin zu bekommen. Würde man mit einer derartigen Einstellungs-Interpretation richtig liegen, wäre es aber auch eine schallende Ohrfeige an das, was man sportlichen Ehrgeiz nennt. Der Kader wurde so zusammengestellt, um das Aufstiegsziel zu erreichen. Jeder Trainer bastelt vor einem Spiel an einer Mannschaftsaufstellung, um ein Spiel zu gewinnen und nicht um in der Haltung zu verharren, gegen diesen oder jenen Gegner klappt das eh nicht heute. Nicht zuletzt wäre es eine schallende Ohrfeige für die Kurve oder die Tribüne. Nach dem Abstiegstrauma zu Beginn einer solchen Saison den Schulterschluss der Fans zu erwarten ist richtig. Wenn diese dann liefern, in einer Phase in der die Mannschaft dann leider nicht liefert, die Ansicht zu vertreten, das Umfeld würde die Liga nicht annehmen, das ist schon erklärungsbedürftig. Wie gesagt, entscheidend ist was ankommt.
Zudem muss man festhalten, dass über Wochen immer wieder gepredigt wurde, dass die neu zusammengestellte Mannschaft Zeit brauche, um zusammenzufinden. Nun geht es aufs Ende der Vorrunde zu und eine Entwicklung ist nur verhalten und behutsam zu erkennen. Das ständige auf und ab zeugt von fehlender Kontinuität. Nicht nur bei den Ergebnissen. Speziell gestern war kaum noch etwas zu sehen von dem was bei den bislang besseren und souveräneren Auftritten Anlass für Optimismus gegeben hat. Ideenloser Spielaufbau, fehlerbehafte Spielanlage, mangelhafte Präzision, fehlender Mut, fehlende Kaltschnäuzigkeit und sichtbare Abschlussschwäche waren nur die eklatantesten Defizite, die sich den Zuschauern gestern offenbarten. Es sei gar nicht mal so, dass die Jungs nicht wollen, sie können es halt einfach nicht, gab ein langjähriger Beobachter des Clubs lange nach Abpfiff hinter der Westtribüne zu Protokoll. Mit Blick auf das erklärte Saisonziel Aufstieg ist das natürlich ein vernichtendes Urteil. Es liegt einzig und allein an der Mannschaft selbst, dem Umfeld zu zeigen, dass sie es doch kann. Dann strengt Euch mal an, Jungs!
mg
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