Auf euphorische Leidenschaft folgt bittere Ernüchterung
Rote Teufel verspielen leichtfertig eine 2:0 Pausen-Führung – Neuzugang Bödvarsson überzeugt
Der 1.FCK kam am gestrigen Freitagabend im heimischen Stadion vor 23.829 Zuschauern trotz einer souveränen 2:0 Pausenführung am Ende nicht über ein 2:2 Unentschieden gegen den 1.FC Union Berlin hinaus. Die Zuschauer sahen in der ersten Halbzeit ein furioses Kampfspiel ihrer Roten Teufel. Ruben Jenssen (34.) und Marcel Gaus (40.) schossen dabei eine sicher geglaubte Führung heraus. Am Ende sorgten zwei unglückliche und unnötige Tore des Gegners noch für ein Remis. Im schlechtesten Fall kann die Mannschaft von Konrad Fünfstück damit am Ende des Spieltages sich noch auf Platz 12 der Tabelle wiederfinden. Debütant Jon Dadi Bödvarsson überzeugte in der Angriffsreihe an der Seite von Kacper Przybylko mit einer engagierten Energie-Leistung. Marcel Gaus bestach als Ersatz für den angeschlagenen Chris Löwe auf der eher ungewohnten linken Abwehrseite mit kompakter Defensivarbeit und mit sehenswerten Akzenten nach vorne. Lohn der soliden Leistung war fast folgerichtig sein erstes Saisontor kurz vor Ende der ersten Halbzeit.
Flutlichtspiel am Freitagabend. Die Fans auf der Westtribüne boten vor dem Anpfiff mit tausenden Wunderkerzen einen zauberhaften Auftakt. Der sollte sich zumindest in der 1. Halbzeit auch sportlich einstellen. Der FCK brauchte allerdings eine gute Viertelstunde, um richtig in die Partie reinzukommen. Die Kicker aus Berlin-Köpenick machten in dieser Anfangsviertelstunde einen guten Job, standen kompakt und stichelten mit schnellen Mittelfeldaktionen ohne sich jedoch wirklich gefährlich vor dem Kasten von Marius Müller in Szene zu setzen. Dennoch verhieß die erste nennenswerte Aktion der Berliner in Minute vier mit anschließender Ecke, dass Aufmerksamkeit angesagt war. Vor allem bei Standards. Der FCK tat sich zunächst schwer mit hoch stehenden Berlinern. Die augenscheinlichen Unsicherheiten in der Defensive, Ungenauigkeiten beim Kurzpass-Spiel und im Spielaufbau egalisierten die Jungs von Konrad Fünfstück allerdings durch viel Körpereinsatz und mit viel Leidenschaft. Mit den ersten beiden Lauterer Ecken (14.) kam langsam so etwas wie Souveränität auf. Der FCK nahm jetzt zunehmend das Heft in die Hand und hielt energisch dagegen. Beherzte Distanzschüsse auf beiden Seiten sorgten für erste Aufreger. So verfehlten Felix Kroos für die Berliner (19.) und Daniel Halfar mit einem Dropkick (20.) das Ziel nur knapp. Der FCK ackerte sich weiter ins Spiel und vor allem das Umschalten in den Vorwärtsgang funktionierte nun viel sicherer. Der pfeilschnelle Jean Zimmer trieb den Ball über die rechte Seite, konnte fast ungehindert über das halbe Spielfeld flanken und fand in Ruben Jenssen einen gut postierten Abnehmer, der am zweiten Pfosten das Leder unbedrängt per Kopf ins Netz beförderte (34.).
Die Berliner bemühten sich in den folgenden Minuten um mehr Gefährlichkeit und setzten zumindest mit zwei Ecken erneut Akzente. Die zweite allerdings wurde der Mannschaft von Sascha Lewandowski zum Verhängnis. Der abgewehrte Ball kam zu Jean Zimmer, der sofort Fahrt aufnahm und einen pfeilschnellen Konter über die rechte Seite einleitete, bei dem das quirlige Kraftpaket in seiner unnachahmlichen Art gleich mehrere Berliner Akteure überlief. Der kluge Querpass auf den mitgelaufenen Marcel Gaus verwertete dieser mit einem satten Schuss ins rechte unter Eck. Der FCK führte 2:0 (40.). Für Marcel Gaus ein verdienter Lohn nach seiner langen Verletzung und einer erstmals kompletten Vorbereitung! Kurz vor dem Pausenpfiff dann fast noch das dritte Tor nach einem nicht minder sauberen Konter. Doch Kacper Przybylko war im Abschluss einen Tick zu langsam, zu unkonzentriert und zu kraftlos. So ging es mit der Zwei-Tore-Führung in die Kabine.
Nach dem Pausentee bestimmte der FCK weiterhin das Geschehen. Marcel Gaus hätte in dieser Anfangsphase zum Helden des Abends avancieren können. Nach einem klugen Zuspiel auf links nahm der mitgelaufene Marcel Gaus die perfekte Vorlage ohne lange zu fackeln mit vollem Risiko und drosch das Leder an die Unterkante der Latte von wo der Ball leider nicht den Weg in den Kasten fand (48.). Doch damit nicht genug. In der Folge setzte Kacper Przybylko das Leder knapp neben das Tor (53.) und einen wuchtiger Kopfball durch Markus Karl nach einem Halfar Freistoß wurde vom Berliner Keeper reflexartig entschärft (56.). Der in der 60. Minute für den lädierten Kacper Przybylko eingewechselte Maurice Deville hätte seine Joker-Quote um einen Treffer nach oben schrauben können, doch auch dessen Schuss entschärfte der junge Berliner Keeper (62.). In der Folge nahm der FCK sein druckvolles Spiel etwas zurück. Das war zum einen der bislang kraftraubenden Spielweise geschuldet.
Allerdings schnitten auch die beiden Wechsel in der Spitze den Druck merklich ab. Neben Maurice Deville ersetzte ab der 70. Minute Antonio Colak den völlig erschöpften Jon Dadi Bödvarsson. Fortan fehlte vorne das gallige und rotzfreche Anlaufen, was den Berlinern mehr Raum für ihr Aufbauspiel gab. Auch gingen längere Bälle in die Spitze schneller wieder verloren als vor den beiden Wechseln. Ein sichtbarer Qualitätsverlust im Lauterer Spiel. Die Mannschaft zog sich sichtbarer zurück und überließ den Berlinern mehr und mehr die Initiative. Nicht allerdings ohne weiter körperbetont Akzente zu setzen. In der 73. Minute verlor Bobby Wood in der Vorwärtsbewegung den Ball an Tim Heubach, der sich mit einer beherzten aber regelgerechten Aktion das Leder holte und der postwendend die Orientierung nach vorne suchte. Weit kam er nicht! Der heißblütige Angreifer fegte den blonden Lauterer von hinten in einer Manier um, die eher an eine taktische Variante aus dem American Football erinnerte. Heubach hatte das von hinten heran rauschende Kraftpaket gar nicht wahrgenommen und blieb erst mal benommen liegen. Wäre der Berliner Angreifer vor Jahrzehnten einem Hans-Günther Neues in dieser Manier in den Rücken gesprungen, er wäre vermutlich abgeschmiert wie eine fette Hummel, die die Konfrontation mit der Windschutzscheibe eines LKW sucht. Nun ist ein Tim Heubach zwar ein hoch gewachsener Kerl, hat aber leider nicht die Gewichtsklasse und Athletik eines Hans-Günther Neues. Der öfter indisponierte Schiri Martin Petersen quittierte die Aktion mit einer gelben Karte. Bei allem Respekt Herr Petersen, aber wer so von hinten einen Gegner in offensichtlicher revanchistischer Manier umnietet, für den gibt es nur das vorzeitige Duscherlebnis als Konsequenz!
Aufreger hin oder her, die Roten Teufel taten zu wenig für ihr Spiel. Nach einer Ecke in der 76. Minute war es dann passiert. Der ehemalige Lauterer Fabian Schönheim stieg nach schöner Hereingabe am höchsten und konnte nahezu unbedrängt das Leder unhaltbar für Marius Müller im Kasten unterbringen. Anstatt in der Folge wieder zur ursprünglichen Spielweise zurückzukehren und die Berliner mit dem bis Mitte der zweiten Halbzeit zelebrierten druckvollen und giftigen Spiel in die Defensivrolle zu drängen, zogen sich die Roten Teufel selbst in eben diese Rolle zurück. Die Berliner witterten nun ihre Chance und gingen jetzt mutiger zu Werke. So passierte kurz vor Ende der Partie, was viele der Anhänger auf den Tribünen haben kommen sehen. Mit einer weiteren Offensivaktion tauchten die Köpenicker einmal mehr vor dem Sechzehner auf, Bobby Wood spazierte quasi unbedrängt durch die halbe Lauterer Abwehr und netzte gekonnt am verdutzten Marius Müller vorbei zum Ausgleich ein (85.). Mit drei Minuten Nachspielzeit im Rücken versuchten beide Teams noch einmal Gefahr zu entwickeln. Dem FCK gelang es jedoch nicht mehr sich aus dieser ernüchternden und fast traumatisierenden Spielentwicklung noch einmal entscheidend zu befreien und den Sieg zu erzwingen. Einzig Tim Heubach hatte noch einmal die Möglichkeit, doch sein beherzter Schuss wurde von der vielbeinigen Abwehr der Berliner geblockt (90.+2).
Nach dem Abpfiff feierten nur die Eisernen, Mannschaft und Fans des 1.FCK nahmen das unnötige Remis geradezu paralysiert zur Kenntnis. Das ohnehin spärlich gefüllte Stadion leerte sich binnen weniger Minuten. Vereinzelte Pfiffe mischten sich unter den verhaltenen Anstands-Beifall der treuesten der Treuen auf der Westtribüne. So recht mochte sich auch die Mannschaft dem nicht lange hingeben und verschwand zügig in den Katakomben der Arena, wo der ein oder andere vor laufenden Mikrofonen sich über die eigenen Unzulänglichkeiten ausließ und den beiden verschenkten Punkten nachtrauerte. Es gilt natürlich das Positive mitzunehmen. Der Kampfgeist lebt in der Mannschaft. Nur muss das auch über 90 Minuten (sichtbar) Bestand haben, sonst wird man sich regelmäßig um den verdienten Lohn seiner Arbeit bringen. Den nächsten Anlauf dazu können die Jungs bereits am kommenden Freitag beim angeschlagenen SC Paderborn nehmen. Hoffen wir, dass bis dahin die Köpfe wieder frei sind und Konzentration, Einsatz und Wille dann für 90 Minuten ausreichen.
mg