Vom bitteren Höllenritt zum Euphorie-Tsunami

Die Roten Teufel drehen Auswärtspartie in Fürth

Knoten geplatzt, Kacper Przybylko markiert das 1:2 (www.der-betze-brennt.de)

Knoten geplatzt, Kacper Przybylko markiert das 1:2 (www.der-betze-brennt.de)

Ein Wechselbad der Gefühle durchlebten Akteure und Fans des 1.FCK am gestrigen Abend in Fürth. Nachdem die Mannschaft von Konrad Fünfstück in der ersten Halbzeit nach einer unterirdischen Leistung bereits 0:2 hinten lag, drehte die Truppe mit einer wuchtigen Leistungssteigerung in Halbzeit zwei die verloren geglaubte Partie. Vier Tore binnen knapp 20 Minuten sorgten für einen Euphorie-Tsunami im Lager der Lauterer, während die Fürther Heimmannschaft nach dem Abpfiff fast demoralisiert das Feld verlies. Ein Auswärtssieg für die Moral, für den Kopf, für den Jahresendspurt, für die Tabelle, für die Stimmung, für die Fans. Dennoch ist Bescheidenheit angesagt. Davon zeugt auch die Selbstkritik des gesamten Teams, das durchaus weiß, wie nah man gestern beim Gastauftritt im Frankenland am Abgrund einer Demütigung entlang geschrammt war. Nach den durchwachsenen und wechselhaften Leistungen der letzten Wochen und Monate waren leider auch nur knapp 1.000 Fans am Freitag mit nach Fürth gereist, die aber über 90 Minuten für einen erstklassigen Support sorgten und letztlich belohnt wurden.

15 Jahre Pfalzinferno. Choreographie vor dem Anpfiff (www.der-betze-brennt.de)

15 Jahre Pfalzinferno. Choreographie vor dem Anpfiff (www.der-betze-brennt.de)

Konrad Fünfstück hatte gegenüber der Heimpartie gegen Frankfurt letzten Sonntag auf zwei Positionen gewechselt. Für den gesperrten Markus Karl lief Patrick Ziegler auf. Daniel Halfar spielte nach seiner Verletzungspause für Mateusz Klich. Die Fürther gingen selbstbewusst in die Partie. Coach Stefan Ruthenbeck hatte bereits im Vorfeld den Heimsieg gefordert. Hatte man schließlich die Chance nach dem Auswärtserfolg in Heidenheim nun mit einem weiteren Dreier direkt ins Aufstiegsrennen einzugreifen. So kamen die Kleeblätter auch viel schneller ins Spiel. Bereits nach 7 Minuten hätte es klingeln können. Nach einem Konter bediente Sebastian Freis seinen Kollegen Robert Zulj, der völlig frei vor Marius Müller zum Abschluss kam. Doch der Lauterer Keeper verhinderte mit einer leidenschaftlich entgegengeworfenen Körper-Wand die frühe Führung.

15 Jahre Pfalzinferno (www.der-betze-brennt.de)

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Doch schon zwei Minuten später war es soweit. Sebastian Freis lief ungestört über links aufs Strafraumeck, marschierte ebenso ungehindert ins Zentrum, tunnelte Sascha Mockenhaupt und schob trocken und unhaltbar für den Lauterer Schlussmann ein (9.). Das war keine Abwehrleistung, das war peinliche Statisten-Begleitung. Hätte nur noch gefehlt, dass die Defensivakteure auf FCK-Seite den Laufweg des Fürthers mit Blümchen bestreut hätten! Eigene Initiativ-Aktionen des FCK den Rückstand postwendend zu egalisieren blieben Mangelware. Erst nach einer Viertelstunde erste Lichtblicke auf Seiten der Gäste. Aber alles zu unkonzentriert, zu wenig abgestimmt, zu ungefährlich, zu uninspiriert. Auch zwei diskussionswürdige Situationen, in denen sowohl Lukas Görtler als auch Daniel Halfar im gegnerischen Strafraum zu Fall kamen, passten ins Bild. Beide Male ließ Schiedsrichter Martin Petersen weiterspielen. Stattdessen der nächste Dämpfer. Der FCK versäumte es den Gegner konsequent anzugehen, arbeitete zu wenig gegen den Ball.

Jubel nach Tim Heubachs Ausgleich (www.der-betze-brennt.de)

Jubel nach Tim Heubachs Ausgleich (www.der-betze-brennt.de)

Damit konnten die Fürther fast nach Belieben ihr Spiel aufziehen und entfalten und auch immer wieder das Flügelspiel befeuern. Nach Flanke von Niko Gießelmann aus halblinker Position mutete der Defensivverbund in rot an wie eine zusammengerottete ungenehmigte Demo-Gruppe unter freiem Himmel. Da fehlte jede Zuordnung. Der unüberlegte Klärungsversuch von Stipe Vucur senkte sich in den freien Raum im Zentrum, wo erneut Sebastian Freis dankend den Hammer auspackte und den Ball völlig freistehend und unbedrängt ins Netz drosch (34.). Von Spielkultur auf Seiten des FCK nichts mehr zu sehen. Da wirkte alles verunsichert, stümperhaft, amateurhaft, leidenschaftslos. Dem Lauterer Anhang schwante nichts Gutes. Doch es waren gerade die Gästefans, die wenigstens auf der Tribüne akustisch die Oberhand behielten. Schier unerschütterlich blieben auch nach dem zweiten Fürther Tor die Stimmbänder auf Belastungsmodus stehen. Mit etwas mehr Konzentration und Konsequenz hätten die Kleeblätter dem Gast noch vor dem Halbzeitpfiff den endgültigen Knock-Out verpassen können. Aber es ging mit der Zwei-Tore-Führung der Franken in die Kabine.

Maurice Deville, auch in Bedrängnis stark (www.der-betze-brennt.de)

Maurice Deville, auch in Bedrängnis stark (www.der-betze-brennt.de)

Der FCK kam zumindest mit veränderter Körpersprache aus der Pause, konnte aber auch mit Beginn der zweiten Hälfte keine spielerischen Glanzpunkte setzen. Einzig im Defensivbereich sorgte der für Michael Schulze eingewechselte Tim Heubach nun für mehr Ruhe, Ordnung und Stabilität. Die Fürther spulten ihr Spiel weiter runter und kamen in der 51. und 56. Minute zu weiteren aussichtsreichen Möglichkeiten. Allerdings ging die Deckung des FCK nun deutlich konzentrierter und konsequenter zu Werke. Konrad Fünfstück brachte für den eher unauffälligen Alexander Ring dann in der 63. Minute mit Maurice Deville eine frische Offensivkraft. Das Spiel des FCK nach vorne wurde nun zusehends beherzter, schneller und zielstrebiger. Nach einer Flanke von Chris Löwe an den Fünfmeterraum agierte Kacper Przybylko dann endlich mal in der Instinkt-Manier eines echten Stürmers. Sein Gegenspieler Marcel Franke rutschte weg. Pritsche brachte den Ball unter Kontrolle und drosch aus der Drehung das Leder ins Franken-Tor (68.). Anschlusstreffer! Plötzlich stimmten neben der Körpersprache nun endlich auch der Offensivdrang und hielt auch die Spielkultur beim FCK Einzug. Die Partie erhielt nun endlich Pfeffer und die Mannschaften agierten auf Augenhöhe. Mit einer Glanzparade vereitelte Marius Müller den erneuten Zwei-Tore-Vorsprung nach einem Flachschuss von Marco Caligiuri (76.).

Mann des Abends, Kacper Przybylko mit Doppelpack (www.der-betze-brennt.de)

Mann des Abends, Kacper Przybylko mit Doppelpack (www.der-betze-brennt.de)

Doch die nächste Duftmarke setzten nicht die Kleeblätter, sondern die Gäste aus der Pfalz. Aus einem Gewühl heraus zog Tim Heubach von der Strafraumgrenze ab, der leicht abgefälschte Ball flog am verdutzten Keeper Sebastian Mielitz vorbei neben dem rechten Pfosten in die Maschen (81.). Ausgleich! Jetzt war Feuer unterm Dach, in jeder Hinsicht. Der Lauterer Anhang schien zu explodieren und peitschte die Jungs frenetisch nach vorne. Der Lohn sollte fast postwendend folgen. Die Fürther verloren mehr und mehr ihre Ordnung. Nach einer maßgenauen Flanke von Ruben Jensen aus linker Position fand das Leder den Kopf von Kacper Prcybylko, der aus drei Metern per Kopfstoss nüchtern vollstreckte (83.). Führungstreffer! Das Spiel binnen 15 Minuten gedreht, der Gästeanhang völlig aus dem Häuschen! Betreuer, Trainer, Ersatzspieler, alles was das rot-weiße Traditionslogo auf dem Kittel und im Herzen trug lag sich am Spielfeldrand hüpfend und ausgelassen in den Armen.

Jubel nach dem 2:4 (www.der-betze-brennt.de)

Jubel nach dem 2:4 (www.der-betze-brennt.de)

Doch auch damit nicht genug. Nach einem sehenswerten Konter bediente Kacper Prcybylko den eingewechselten Manni Kwadwo, der frei vor dem Keeper nach kurzem Zögern quer auf Maurice Deville legte. Der Luxemburger donnerte das Leder humorlos unter die Latte (88.). Die Entscheidung! Es sollte nun nichts mehr anbrennen. Der FCK sicherte die Führung souverän auch über die zwei Minuten Nachspielzeit. Zur Halbzeit hätten auch die kühnsten Optimisten im Lager der Lauterer nach der dargebotenen Rumpel-Leistung wohl keinen Pfifferling mehr auf die Truppe gesetzt. Offensichtlich hat Trainer Konrad Fünfstück in der Kabine die richtige Ansprache gefunden. Die aufgezeigten Optionen jetzt die Koffer zu packen, in den Bus zu steigen und heimzufahren, oder sich endlich zu wehren, waren als Synapsen-Rüttler wohl der richtige Mental-Spülgang, der die Jungs aufgeweckt und an der Ehre gepackt hat. Wir werden im Verlauf der restlichen Saison vermutlich keine virtuosen fußballerischen Zungenschnalzer mehr sehen. Die gestrige Partie hat aber einmal mehr gezeigt, dass dies im Fußball auch nicht immer zwingend notwendig ist.

Verdiente Momente nach dem Abpfiff (www.der-betze-brennt.de)

Verdiente Momente nach dem Abpfiff (www.der-betze-brennt.de)

Wenn nur die Grundtugenden Leidenschaft, Kampf, Biss und vor allem der Wille lebendig sind und auch abgerufen werden. Fußball ist eben auch Kopfsache. Im positiven wie im negativen Sinne. Die Jungs wissen sehr genau, dass sie ihre Spielbefähigungen mit einem Ronaldo oder einem Messi bestenfalls auf der PS4 messen können. Aber die wissen auch ganz genau, dass sie mehr abrufen können, als sie bisher gezeigt haben. Es wäre notwendig der Truppe in den nächsten Wochen Vertrauen und Ruhe zu geben anstatt nach durchwachsenen Partien wie noch vor Wochenfrist immer wieder draufzuhauen, damit sich bei der wöchentlichen und täglichen Arbeit auch mal Konstanz einstellen kann. Trainer Konrad Fünfstück ist beim Blick auf die Verletzten-Liste im Kader ohnehin nicht zu beneiden. Bleibt zu hoffen, dass bis zur Winterpause auch an dieser Front mal Ruhe einkehrt und sich für die verbleibenden drei Spiele weitere Optionen und Alternativen bieten. Bleibt auch zu hoffen, dass die gestern geäußerte Selbstkritik aller im Hinblick auf das Leistungs-Waterloo aus Halbzeit eins nicht nur deutlich angesprochen wird, sondern alle ihre Lehren daraus ziehen. Bleibt auch zu hoffen, dass speziell Kacper Przybylko nun die Kurve kriegt und die Treffsicherheit als feste Konstante in sein engagiertes Spiel Einzug hält. Bleibt außerdem zu hoffen, dass sich mit dem Auswärtserfolg und immerhin sieben Punkten in drei Spielen bei der nächsten Heimpartie mal wieder eine würdige Kulisse einstellt. Herje…ne ganze Menge Wünsche irgendwie. Ja, is denn schon wieder Weihnachten…? Seit gestern Abend vorgezogen irgendwie schon!

mg


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