Vereinsliebe und Fußballleidenschaft fernab der Heimat

Dokumentarfilm „Ferne Liebe“ gastierte in der Kartoffelhalle beim Fanprojekt Kaiserslautern

Filmszene Ferne Liebe; Berliner Bagaasch mit Geburtstagsgrüßen für Norbert Thines (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Berliner Bagaasch mit Geburtstagsgrüßen für Norbert Thines (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Trotz der ernüchternden Darbietung der Roten Teufel beim torlosen Remis am vergangenen Freitag gegen den VfL Bochum, waren noch mehr als 50 FCK-Fans einer Einladung des Fanprojektes gefolgt und fanden zu später Stunde den Weg in hinauf zum Kniebrech. Es war angerichtet, die Kartoffelhalle verströmte Kinoatmosphäre. Der Duft von frischem Popcorn zog durch die Räume, Bierflaschen klimperten im Thekenraum, Chips-Tüten knisterten und im Tagungsraum warteten akkurate Sitzreihen und eine große Leinwand auf den Beginn des ersten Kinoabends in den neuen Räumlichkeiten des Lauterer Fanprojekts. Eine würdige Kulisse für den Film „Ferne Liebe“ von Matin Zeising. Eine sehenswerte filmische Dokumentation, die der Spezies des Exilfans nachgeht. Fußballbegeisterte Menschen, die es durch Beruf, Familie und andere Umstände der Lebensplanung in eine ferne Stadt verschlagen hat, deren Herz aber immer noch für den Lieblingsverein in der fernen Heimat schlägt. Dafür hat Filmemacher, Journalist und Projektleiter Martin Zeising zwischen Sommer 2015 und Frühjahr 2016 mehr als ein halbes Jahr lang zusammen mit seinem vierköpfigen Filmteam in Berlin Fanclubs von Vereinen der ersten und zweiten Liga begleitet und beobachtet. Fanclubs von Vereinen aus der ganzen Republik, die sich in der Bundeshauptstadt gegründet haben.

Fast volle Kartoffelhalle am letzten Freitag, Kinoabend mit "Ferne Liebe" (Foto: Fanprojekt Kaiserslautern)

Fast volle Kartoffelhalle. Kinoabend „Ferne Liebe“ (Foto: Fanprojekt Kaiserslautern)

Eine knappe Feststellung im Intro des Film-Teasers skizziert die schwierige Situation sogenannter Exilfans schon sehr treffend – „wenn Dein Team fast immer auswärts spielt…ganz einfach, weil Du auswärts wohnst…wird jedes Spiel zu etwas Besonderem“. Berlin, die größte Stadt Deutschlands, beherbergt so viele Fans auswärtiger Vereine, wie keine andere deutsche Stadt. Viele davon eben auch in Fanclubs organisiert. Sicher auch unzählige, die überhaupt nicht irgendeinem Fanclub angehören. Fernab der Heimat, fernab des heimischen Stadions. Gefühlt bei Heimspielen zwar schier unerreichbar, aber was tut man nicht alles für den Fußball und seinen Lieblingsclub. Fans, die nah beim Herzensverein wohnen und zu den fleißigen Auswärtsfahrern gehören, kennen die Situation.

Filmszene "Ferne Liebe", Vorglühen im Kreis von FCK-Fans (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Vorglühen im Kreis von FCK-Fans (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Martin Zeising Film zeigt den Fußballalltag vieler Fans, die zwar in Berlin wohnen, die aber beispielsweise jedes zweite Wochenende in die ferne Heimat ihres Lieblingsvereins fahren und dort im Stadion genauso eine Dauerkarte besitzen wie einheimische Fans. Fans, die sich jedes Wochenende in ihrer Fanclubkneipe in Berlin treffen und deren einziger Stadionbesuch jede Saison dann stattfindet, wenn ihr Lieblingsverein bei Hertha BSC im Olympiastadion oder beim FC Union Berlin in der Alten Försterei gastiert. Was zählt, ist die Leidenschaft, wie sie ausgelebt wird, ist jedem selbst überlassen.

Fußball-Fankneipe Tante Käthe (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Fußball-Fankneipe Tante Käthe (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Berlin als Ort des Geschehens ist aber nicht nur neue Heimat von zugereisten Fans. Der Film zeigt auch Akteure, die in der heutigen Bundeshauptstadt ihre Geburtsheimat haben, im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten, durch ganz unterschiedliche Erlebnisse, Ereignisse oder Bezüge ihr Fußballherz an einen Verein weit weg von der Stadt an der Spree verloren haben. Der Filmemacher, dessen Herz für den 1.FC Nürnberg schlägt und der auch seit Jahren den ehrenamtlichen Vorsitz der Clubberer 04 Berlin führt, hat Fanclubs von Fortuna Düsseldorf, dem VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach, dem SC Freiburg, Arminia Bielefeld, dem VfL Bochum, dem 1.FC Kaiserslautern, dem FC St.Pauli, dem 1.FC Nürnberg und anderen in der Bundeshauptstadt besucht, beschnuppert und über Monate deren Aktivitäten und spezielles Kolorit mit der Kamera festgehalten.

Michael Zeising bei den Dreharbeiten (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Michael Zeising bei den Dreharbeiten (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Dazu gehören die Gewohnheiten beim Kneipenbesuch, um seinem Herzensverein via Leinwand nahe zu sein, der Aufwand und die Reisegewohnheiten, wenn es auswärts zum Heimspiel geht, Überzeugungen und Frotzeleien, wenn man auch in der Wahlheimat regionale Rivalitäten hegt und pflegt, wie zwischen Köln und Gladbach, Nürnberg und Fürth oder Bayern und 1860. Oder die Situation wenn eine Spieltags-Paarung zwei Fanclubs der jeweils gegnerischen Teams in ein und derselben Kneipe zusammenführt. Herrlich delikat und doch irgendwie herrlich entspannt! So zeigt das Filmprojekt auch eindrucksvoll, wie fernab der fußballerischen Heimat des Lieblingsvereins relativ nah beieinander eine friedliche Fanlandschaft mit ebenso friedlicher Koexistenz möglich ist, trotz einer gepflegten lebendigen Rivalität.

Filmszene "Ferne Liebe", Leinwand statt Stadion, Schicksal in der Fremde (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Leinwand statt Stadion, Schicksal in der Fremde (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Aber die Akteure des Films bestechen nicht nur durch ihre Leidenschaft für ihren Verein an Spieltagen. Seit Jahren führt in Berlin ein Tisch-Kicker-Turnier zahlreiche der sehr unterschiedlichen Fanclubs unter einem Dach zusammen, um sich beim Tischfußball zu duellieren. Unter dem Motto „Siege statt Hiebe“ wetteifern seit 2009 zahlreiche Fanclubs um die zu verteilenden Lorbeeren bei der inoffiziellen deutschen Fanclub-Tischfußball-Meisterschaft. Übrigens wurde dieses Turnier 2017 bereits zum elften Mal ausgetragen. Immerhin sechsmal davon hieß der Sieger Berliner Bagaasch, der älteste FCK-Fanclub in Berlin. Da darf man für das nächste Turnier im Januar 2018 jetzt schon mal die Daumen zur Titelverteidigung drücken.

Erneut Sieger bei "Siege statt Hiebe", Berliner Bagaasch im Glück (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Erneut Sieger bei „Siege statt Hiebe“, Berliner Bagaasch im Glück (Foto: Exilfans, Ferne Liebe)

Vertreter und Vertreterinnen der Berliner Bagaasch waren auch am Freitag zu Gast beim ersten Kinoabend im Fanprojekt. Als am Ende der neunzig Filmminuten am Freitag der lang anhaltende Applaus sowohl Macher Michael Zeising und seinem Filmteam Anerkennung zollte, galt ein Teil des Beifalls sicher aber auch den wackeren FCK-Fans in der fernen Bundeshauptstadt. Fanprojekt-Mitarbeiterin Michelle Deckarm moderierte im Anschluss an die Filmvorführung noch eine kleine Talkrunde mit Filmemacher Zeising und zwei Vertreterinnen und Vertretern der Berliner Bagaasch, um über den Film im Allgemeinen und über das Leben eines Hauptstadtfanklubs im Speziellen zu sprechen. Wichtige Fragen, was es zum Beispiel mit dem legendären Hefeschnaps auf sich hat, wurden natürlich nicht ausgelassen. Auch Erfahrungen rund um Kontaktaufnahme zu den Fanclubs, Schwierigkeiten hinsichtlich der Drehmöglichkeiten in Stadien oder Eindrücke, die bei den Dreharbeiten während der Fanfahrten oder bei Zusammenkünften in teils kultigen Fanclub-Kneipen entstanden waren, bannten die Zuhörer noch bis weit nach Mitternacht. Alles in allem eine gelungene Veranstaltung, die auch dazu beigetragen hat das Fanprojekt-Angebot um eine weitere Facette erfolgreich zu erweitern.

Talkrunde im Anschluss an den Film, Michelle Pfeiffer im Dialog mit Berliner Bagaasch und Filmemacher Michael Zeising (Foto: Fanprojekt Kaiserslautern)

Talkrunde. Michelle Deckarm im Dialog mit Berliner Bagaasch, Filmemacher Michael Zeising (Foto: Fanprojekt Kaiserslautern)

Der Film „Ferne Liebe“ gibt einen detaillierten aber lediglich ersten Einblick in die Exilfanszene der Hauptstadt. „Es war und ist uns mit dem Film zunächst ein Anliegen gewesen, der Öffentlichkeit eine Übersicht zu geben und zu zeigen, dass es in Berlin bei weitem nicht nur Hertha- und Union-Fans gibt und dass in dieser bunten Stadt trotzdem alle irgendwie gut miteinander auskommen. Selbstverständlich sind wir uns bewusst darüber, dass wir in einem Film mit 99 Minuten Länge nur einen kleinen Ausschnitt des Paralleluniversums zeigen können. Tiefer in die Geschichten der Menschen einzudringen oder auch weitere, z.B. internationale Fanclubs zu zeigen, die in Ferne Liebe nun keinen Platz gefunden haben – all dies wäre die Aufgabe weiterer Filme, die dieses großartige Thema hoffentlich in Zukunft aufgreifen werden“, sagte Regisseur Martin Zeising anlässlich der Weltpremiere des Films im März 2016 in Berlin.

Poppcorn salzig oder süß? Stilecht war's in der Kartoffelhalle (Foto: Fanprojekt Kaiserslautern)

Poppcorn salzig oder süß? Stilecht war’s in der Kartoffelhalle (Foto: Fanprojekt Kaiserslautern)

Derzeit arbeiten die Macher des Films übrigens an weiteren Möglichkeiten „Ferne Liebe“ einer breiten Öffentlichkeit zugängig zu machen. Die Realisierung des Films wurde übrigens über den Förderpool PFiFF (Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur) der Deutschen Fußball Liga (DFL) gefördert. Die DFL hat dabei weder in der Konzeption, noch in der Umsetzung Einfluss auf Inhalte des Filmes genommen. Der Förderpool PFiFF hält übrigens jedes Jahr ein Budget von 500.000€ vor, um Projekte wie den Dokumentarfilm von Michael Zeising zu unterstützen. Wie das Ergebnis der mehr als halbjährigen filmischen Dokumentationsarbeit zeigt, in jedem Fall gut investiertes Geld, ohne das Projekte dieser Art wohl kaum möglich wären.

mg


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