Heile kennt mer, heile un nimmie uffhere…!

Ohnmachtsdarbietung grenzt an sportlichen Offenbarungseid – FCK kassiert vor Trauerkulisse bereits die 6. Heimniederlage

Sinnbild für die Stimmungslage, nachdenklicher Marius Müller (Foto: Thomas Füssler)

Sinnbild für die Stimmungslage, nachdenklicher Marius Müller (Foto: Thomas Füssler)

Als Simon Terodde gestern in der 90. Spielminute gekonnt Marius Müller im Tor des 1.FCK verlud und den Ball zum 0:2 im Lauterer Kasten versenkte, da sprangen zahlreiche Zuschauer der ohnehin spärlichen Kulisse von ihren Sitzplätzen auf oder lösten ihre im Stehen aufgebaute, angestrengt verkrampfte Körperspannung und verließen eilig das Stadion. Teilweise kopfschüttelnd, schweigend und resigniert, teilweise wütend, zornig, lautstark vor sich hin zeternd. Der VfL Bochum hatte das Spiel für sich entschieden, nachdem sich der 1.FCK über 90 Minuten zwar bemüht zeigte, aber eigentlich kaum Durchschlagskraft entwickelte. Da war kaum etwas, phasenweise eigentlich nichts zu sehen, was dem Fan auf den Rängen gezeigt hätte, dass in dieser mittelmäßigen Partie die Heimmannschaft einen diszipliniert agierenden Gegner noch irgendwie in Verlegenheit bringen könnte. Die Körpersprache der Männer im roten Dress war geprägt von Ideenlosigkeit, die sich bis zu ihrem emsigen Übungsleiter an der Seitenlinie zu übertragen schien. Die vor Wochen noch agilen Bewegungen von Konrad Fünftstück in der Coachingzone weichen nach nun vier Niederlagen in Folge auch eher einer Körpersprache, die für außen stehende Betrachter von extremer Frusthaltung, wenn nicht gar Ratlosigkeit zeugt. Körpersprache ist nicht nur bei Spielern ein Stimmungsindikator. Die drei Punkte nehmen die Bochumer Kicker und ihre immerhin rund 500 Anhänger mit nach Hause und haben nach dem gestrigen Sieg nun noch alle Möglichkeiten im Aufstiegsrennen entscheidend mitzureden. Der Blick des 1.FCK geht nun allerdings eindeutig nach unten! Ab jetzt gilt das Motto Abstiegskampf!

Aktivposten Jon Dadi Bödvarsson; gestern auch ohne Durchschlagskraft (Foto: Thomas Füssler)

Aktivposten Jon Dadi Bödvarsson; gestern auch ohne Durchschlagskraft (Foto: Thomas Füssler)

Trainer Konrad Fünfstück ging gestern mit einer auf drei Positionen veränderten Startelf ins Rennen. Patrick Ziegler war für den verletzten Tim Heubach in die Innenverteidigung gerückt, der wiedergenesene Chris Löwe spielte für den gelb gesperrten Marcel Gaus und Michael Schulze kam für Lukas Görtler ins Team, der selbst die Bank mit einem Tribünenplatz tauschen musste. Letztlich war es aber gleichgültig wen der Coach für wen hat auflassen lassen. Am gestrigen Abend war unter den arrivierten Profis noch bei irgendeiner Neunominierung oder einer Einwechslung kein einziger Akteur in der Lage dem Spiel auch nur annähernd einen Stempel aufzudrücken. Mannschaftliche Geschlossenheit bestand eigentlich nur in der durchgängig faden und laschen Leistung eines dargebotenen mittelmäßigen Zweitliga-Kicks. Dem sich übrigens in der ereignisarmen ersten Halbzeit auch die Bochumer qualitativ anschlossen. Der 1.FCK erspielte sich im ersten Durchgang nicht eine einzige nennenswerte Torchance! Der VfL lieferte wenigstens zweimal Aufreger. In der 15. Minute, als Chris Löwe einen von Patrick Fabian per Kopf verwerteten Eckball auch mit dem Haupt von der Linie kratzte. Dazu Peniel Mlapa, der aus halbrechter Position einen satten Schuss Richtung Gehäuse schickte, der den Kasten von Marius Müller jedoch verfehlte (34.). Über den Rest der ersten Halbzeit legt man besser den Mantel des Schweigens.

Verurscahte den Strafstoß; Stipe Vucur (Foto: Thomas Füssler)

Verursachte den Strafstoß; Stipe Vucur (Foto: Thomas Füssler)

Die zweite Halbzeit begann dann mit einem Schock für den 1.FCK. Es waren nicht mal zwei Minuten gespielt, da wurde Paniel Mlapa zentral an der Strafraumgrenze angespielt. Stipe Vucur ging etwas unbeholfen zu Werke und brachte den langen Bochumer Verteidiger zu Fall. Schiedsrichter Patrick Ittrich zeigte sofort auf den Punkt. Simon Terodde ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und verwandelte den fälligen Strafstoß sicher (48.). Erst jetzt nach dem Rückstand schienen die Roten Teufel endlich wacher und versuchten das Heft in die Hand zu nehmen. Rund zehn Minuten lang ging auch die Kulisse mit, ehe nach einigen eher hilflos anmutenden und fehlerbehafteten Spielzügen auch auf den Rängen die Stimmung wieder abflachte. Der 1.FCK agierte viel zu viel mit hohen Bällen und völlig fahrigem Spiel. Zwischen der 65. und der 81. Minute brachte Konrad Fünfstück mit „Manni“ Osei Kwado, Kacper Przybylko und Maurice Deville nochmal frische Kräfte. Ruben Jenssen, Antonio Colak und Michael Schulze mussten raus.

Läuft seit Wochen seiner Form hinterher; Jean Zimmer (Foto: Thomas Füssler)

Läuft seit Wochen seiner Form hinterher; Jean Zimmer (Foto: Thomas Füssler)

Aber auch die Neuen vermochten keine Akzente mehr zu setzen. Der FCK hatte sicher mehr Ballbesitz, aber es fehlte letztlich die sichtbare Spielidee, die den nötigen Druck hätte bringen können. Demgegenüber gelangen den Bochumern immerhin noch ein Pfostenschuss und nur mit Mühe konnte die FCK-Defensive zweimal auf der Linie klären. So war es ausgerechnet der sonst laufstarke und kämpferische Kacper Przybylko der kurz vor dem Schlusspfiff im Mittelfeld den Ball verlor und den Revier-Kickern so die Offensivrichtung ermöglichte. Den Fernschuss von Thomas Eisfeld konnte Marius Müller nur nach vorne abklatschen. Simon Terodde nahm das Leder dankend auf und schob nach kurzem „Tänzchen“ mit dem Spielgerät zur Entscheidung ein (90.).

Hektische Anweisungen von außen; Konrad Fünstück und "Manni" Osei Kwado (Foto: Thomas Füssler)

Hektische Anweisungen von außen; Konrad Fünstück und „Manni“ Osei Kwado (Foto: Thomas Füssler)

Ein langjähriger Block-Nachbar und seit Jahrzehnten eingefleischter Anhänger verabschiedete sich mit den Worten, „heile kennt mer, heile un nimmie uffhere! Ich glab ich bleib ’s negschde Mol dehäm!“ Schon die triste Kulisse am gestrigen Abend lässt für die kommenden Wochen nichts Gutes erahnen. Es wäre fatal, wenn sich möglicherweise auch noch die letzten verbliebenen Treuen vom Geschehen auf dem grünen Rasen abwenden und insbesondere bei den letzten Heimspielen zuhause bleiben sollten. Der verärgerte, frustrierte und resigniert anmutende langjährige Weggefährte wird dennoch beim nächsten Heimspiel wieder dabei sein, ganz gewiss! Selbst dann wenn die Auswärtspartie am kommenden Samstag in Düsseldorf ebenfalls in die Grütze geht. Die Situation, am Ende einer enttäuschenden Spielzeit noch in den Abstiegskampf zu rutschen, war 2008 Richtung Saison-Zielgerade sportlich gesehen ähnlich prekär. Dennoch war sie anders. Die damals von der überwältigenden Mehrheit der Fangemeinde an den Tag gelegte Trotzhaltung nach dem Motto „jetzt erst Recht“, wurde von entscheidenden Impulsen begleitet, nach denen man heute suchen müsste.

Gedenken für den verstorbenen... (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Gedenken für den verstorbenen… (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Nach der jämmerlichen Schlüsselpartie gegen Hoffenheim, bei der Trainer Milan Sasic nach der leblosen 0:2 Heimniederlage die Kicker vor der Westtribüne postierte und dem anschließenden blassen Kick bei Erzgebirge Aue (0:0), kam am 8. April Stefan Kuntz zum Betzenberg und übernahm das Ruder des damals nicht nur sportlich angeschlagenen Vereins. In der Folge sorgte neben den ersten sportlichen Erfolgen mit zwei Heimsiegen gegen Augsburg (2:0) und Aachen (2:1) auch die Herzblut-Kampagne für eine Mobilisierung der Massen. Im Jahr 2008 lag der zweite Abstieg aus der ersten Liga auch grade erst zwei Jahre zurück. Abstiegskampf in Liga zwei in der Saison 2015/2016 wird im Fanlager des Traditionsvereins vermutlich leider nicht mehr so angenommen werden wie damals. Vielleicht gelingt ja in den nächsten Tagen und Wochen dem Aufsichtsrat mit der Nominierung der vakanten Posten in der Führungsetage des 1.FCK ein ähnliches Signal, das sowas wie eine Aufbruchstimmung erzeugt.

Ganze 19.342 Zuschauer sollen sich gestern Abend laut Stadionsprecher Horst Schömbs auf den gähnend leeren Tribünen verloren haben. Das dürfte eher die Zahl verkaufter Karten gewesen sein. Tatsächlich waren vermutlich deutlich weniger im Stadion. Hört man in die Fanszene hinein, dann macht sich das Gefühl breit, die Luft sei raus. Vielleicht nicht bei denen, die da regelmäßig die legendäre Westtribüne bevölkern oder dem 1.FCK zahlreich auch in die Fremde folgen. Es wird im Schlussspurt allerdings auch auf die Fans ankommen, die in der Vergangenheit die anderen drei Tribünen bevölkert haben. Es wäre wünschenswert, dass die Fans aller Couleur auch in dieser gebrauchten Saison wieder eine Trotzreaktion an den Tag legten und wenigstens ihren Beitrag leisten die im Moment verunsicherte Mannschaft lautstark bei den noch verbleibenden Heimspielen zu unterstützen. Zumindest an klangvollen Begegnungen dürfte es laut DFL-Spielplan nicht fehlen!

Triste Kulisse mit 19.342 offiziellen Zuschauern (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Triste Kulisse mit 19.342 offiziellen Zuschauern (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Es muss natürlich aber auch völlig unabhängig von den Fans eine sportliche Wende kommen! Die Mannschaft ist in der Pflicht, das zu liefern, was im Fußball häufig mit „Charakter“ postuliert wird. Die erste Möglichkeit besteht am kommenden Speiltag (Samstag, den 19.03. um 13.00 Uhr) bei der derzeit auf Tabellenplatz 16 rangierenden Düsseldorfer Fortuna. Die haben nach vier Niederlagen in Folge ihren erst vor 81 Tagen verpflichteten Trainer Marco Kurz bereits wieder in die Wüste geschickt und nun den als „Feuerwehrmann“ erfahrenen Friedhelm Funkel verpflichtet. Der wird seine Truppe schon entsprechend einstellen! Ein Spaziergang dürfte der Ausflug in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt insofern nicht werden.

mg

Hier noch ein Videoclip von unserem Sympathisanten MDM


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