Fußball ist, wenn ein Berg brodelt und explodiert

Der 1.FCK gewinnt sein Auftaktspiel zur dritten Liga vor unglaublichen 41.324 Zuschauern

Irre Kulisse! 41.324 Zuschauer zum Drittliga-Auftakt (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Irre Kulisse! 41.324 Zuschauer zum Drittliga-Auftakt (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Der 1.FC Kaiserslautern startete gestern gegen den TSV 1860 München in die Saison 2018/2019. Erstmals in seiner langen Historie in der dritten Liga. Nach der gefühlt wohl längsten Vorbereitungszeit in seiner Geschichte. Seit dem euphorischen Trainingsauftakt am 10. Juni vor sagenhaften 1.500 Zuschauern, ließen die schweißtreibenden Wochen vor der ersten Partie gegen die Münchner Löwen bereits erahnen, dass sich in der Pfalz eine Euphorie-Welle aufzubauen schien. Wohlgemerkt, nach dem bitteren Abstieg in die dritte Liga! Die Welle schwappte gestern ins Fritz-Walter-Stadion. Sagenhafte 41.324 Zuschauer wollten die Partie gegen den Traditionsverein live im Stadion erleben. Darunter auch immerhin etwa 4.500 Löwen-Fans. Die Woge der Begeisterung erreichte gegen 15.41 Uhr ihren Höhepunkt und ergoss sich in einem Jubelsturm über den grünen Rasen und über die Tribünendächer hinüber in die Stadt, als Janek Sternberg nach feiner Vorarbeit des eingewechselten Timmy Thiele das Leder zum entscheidenden Treffer der Partie im Netz unterbrachte (86.). Die knappe aber hoch verdiente 1:0 Führung der Roten Teufel reichte am Ende für den ersten Dreier der Saison.

Der Lotse und sien Kapitän, Michael Frontzeck, Florian Dick (Foto: Thomas Füssler)

Der Lotse und sien Kapitän, Michael Frontzeck, Florian Dick (Foto: Thomas Füssler)

Mit Janek Sternberg, Kevin Kraus, Julius Biada, Christoph Hemlein, André Hainault und den beiden Heimkehrern Hendrick Zuck und Publikumsliebling Florian Dick, ließ Trainer Michael Frontzeck gleich sieben externe Neuzugänge in der Anfangsformation auflaufen.

In den ersten Minuten merkte man den Roten Teufeln allerdings an, dass die beeindruckende Kulisse vielleicht doch ein wenig zu hemmen schien. Die Gäste taten ihr übriges, kamen schneller in die Partie und störten früh das Aufbauspiel und die Bemühungen der Lauterer nach vorne zu agieren. So kamen die Löwen auch folgerichtig zu ersten Möglichkeiten, die in der Lauterer Defensive Alarmstimmung aufkommen ließen. In der 8. Minute zog Nico Karger zu einem ersten Warnschuss ab, traf aber nur das Außennetz. Nur eine Minute später hatte der FCK großes Glück. Adriano Grimaldi zog im Lauterer Strafraum beherzt ab, der Ball prallte vom Innenpfosten jedoch zurück ins Feld (9.). Der Gästeblock drüben im Osten hatte da den Torjubel schon auf den Lippen.

Die Mannschaft von Trainer Michael Frontzeck fand danach aber immer besser in die Partie und gefiel durch sicheres Aufbauspiel und feine Kombinationen. Die Kulisse honorierte den sichtbaren und spürbaren Willen und trieb die Mannschaft immer wieder nach vorne.

Bodenkampf, Hendrik Zuck und Keeper Hendrik Bonmann (Foto: Thomas Füssler)

Bodenkampf, Hendrik Zuck und Keeper Hendrik Bonmann (Foto: Thomas Füssler)

In der 20. Minute dann die erste echte Torchance auf Seiten der Gastgeber. Nach einer Ecke von Florian Dick traf Julius Biada den Ball nicht richtig, den Nachschuss von André Hainault entschärfte Hendrik Bonmann im Tor der Münchner. Der FCK drückte nun gehörig, zwang die Gäste immer mehr in die eigene Hälfte. Nach einem feinen Zuspiel von Julius Biada zündete Lukas Spalvis den Turbo, setzte sich gegen den mitlaufenden Gegenspieler zwar durch, scheiterte aber im Abschluss am herauslaufenden Löwen-Keeper (30.). In der letzten Viertelstunde vor der Halbzeit verlor die Partie etwas an Fahrt, was sicher auch dem schwül-heißen Wetter geschuldet schien. Torlos ging es in die Kabine. Derweil herrschte auf den Tribünen und in den Umläufen zur Halbzeitpause euphorische Stimmung, der aber auch eine gehörige Portion Skepsis innewohnte. Die Erfahrungen der letzten Jahre, dass die eigene Mannschaft sich einen unglücklichen Treffer einfängt und sich selbst noch um den Lohn der eigenen Arbeit bringen könnte, war bei vielen noch präsent. Wer also würde hier die erste Bude machen? Die Jungs im roten Dress sollten die Zweifler und Skeptiker nicht enttäuschen!

Julius Biada, beherzt im Luftkampf... (Foto: Thomas Füssler)

Julius Biada, beherzt im Luftkampf… (Foto: Thomas Füssler)

Der FCK kam entschlossen aus der Kabine und nahm mit Wiederanpfiff das Heft in die Hand. Aber auch die Löwen zeigten sich kämpferisch, wobei die Roten Teufel schon in den ersten Minuten im zweiten Durchgang mehr Sicherheit, bessere fußballerische Grundlagen und größeren Willen durchblicken ließen. Die erste Möglichkeit gehörte dieses Mal dann auch der Mannschaft von Michael Frontzeck. Julius Biada prüfte Hendrik Bonmann im Kasten der Löwen (50.).

Nur wenige Minuten später verlängerte Lukas Spalvis eine Hereingabe von Florian Dick von der linken Seite mit dem Kopf. Das Leder klatschte auf die Querlatte und dieses Mal blieb der Torschrei den Fans auf Lauterer Seite im Halse stecken (56.). Nur eine Zeigerumdrehung weiter, erneut Flanke vom Lauterer Kapitän, Christoph Hemlein kommt per Flugkopfball nicht mehr ganz an die Kugel und verfehlt das Ziel nur knapp (57.). Chancen quasi im Minutentakt. Das Fritz-Walter-Stadion war längst zum glühenden Hexenkessel mutiert, die Münchner kamen kaum noch aus ihrer eigenen Hälfte raus. Betze-Atmosphäre pur. Dennoch verflachte die Partie nach der 60. Minute etwas. Zeit für die Gäste zum Durchatmen.

In der 67. Minute brachte Chefcoach Michael Frontzeck Stürmer Timmy Thiele für Julius Biada, der dem Spiel von Anfang an neue Impulse gab. So schickten sich die Roten Teufel in der Schlussviertelstunde noch einmal an, auf vehemente Offensive zu setzen, gefielen durch flüssige Kombinationen, ideenreiches Flügelspiel und beherzte Zweikampfstärke.

...aber auch wendig auf kleinstem Raum (Foto: www.der-betze-brennt.de)

…aber auch wendig auf kleinstem Raum (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Der ebenfalls eingewechselte Florian Pick hatte dann in der 82. Minute nach einem tollen Zuspiel von Timmy Thiele die Führung auf dem Fuß, scheiterte aber an der breiten Brust von Löwen-Keeper Hendrik Bonmann. Nur zwei Minuten später servierte erneut Florian Dick eine Ecke, André Hainault stieg am höchsten, köpfte das Leder aber knapp neben den Kasten (84.). Wenige Minuten vor dem Abpfiff war es dann soweit. In der 86. Minute tankte sich Timmy Thiele bis zur Grundlinie durch, legte den Ball durch die Gästeabwehr zurück auf den mitgelaufenen Janek Sternberg, der das Leder trocken ins lange Eck drosch. Die Kulisse glich über weite Strecken der 90 Minuten ohnehin einem brodelnden Vulkan, aber in diesem Moment schien dieser Vulkan zu explodieren. Ein ohrenbetäubender Torschrei erschütterte das Fritz-Walter-Stadion. Dieser Moment schwappte über die Tribünendächer hinaus und schien wie ein pyroklastischer Akustik-Strom in die Stadt hinunter zu rollen und dürfte vermutlich noch in den entfernteren Vororten Lauterns zu hören gewesen sein.

Brachte viel frischen Wind, Stürmer Timmy Thiele (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Brachte viel frischen Wind, Stürmer Timmy Thiele (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Die Führung zu diesem Zeitpunkt hoch verdient. In den verbleibenden Minuten versuchten die Löwen krampfhaft doch noch etwas Zählbares mitzunehmen, aber vor allem die Lauterer Defensive stand sicher. Lediglich ein Freistoß in der letzten Minute der regulären Spielzeit sorgte noch einmal für Herzklopfen. Doch Jan-Ole Sievers entschärfte den Schuss von Daniel Wein, wenn auch erst im Nachfassen. Wenige Minuten später war Schluss. Der erste Dreier war eingetütet. Die Party konnte beginnen. Mannschaft und Kulisse genossen das Momentum und wollten gar nicht mehr davon ablassen sich gegenseitig zu feiern. Ein denkwürdiger Nachmittag in mehrfacher Hinsicht. Man muss lange grübeln, um sich an ein Spiel zu erinnern, in dem eine Lauterer Mannschaft mit einer derartigen Leidenschaft, mit Herz, Kampf, Wille und Entschlossenheit so gut wie jeden Quadratzentimeter des Fritz-Walter-Stadions beackert und umgepflügt haben dürfte. Das war Fußball in seiner urtümlichen Art. So wie es zu diesem Stadion, zu diesen Zuschauern, zu diesem Verein passt. Ehrliche, harte und leidenschaftliche Arbeit.

Nach Rückpass von Timmy Thiele netzt Janek Sternberg zum Siegtor ein (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Nach Rückpass von Timmy Thiele netzt Janek Sternberg zum Siegtor ein (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Natürlich läuft fußballerisch noch nicht alles rund im Lauterer Mannschaftsgefüge. Trotz der langen Vorbereitungszeit. Aber wer will das angesichts 15 neuer Spieler kritisieren? Niemand! Diese Truppe hat richtig Bock. Das sieht man, das spürt man. Das war nicht nur gestern so. Das sieht man bei jeder Trainingseinheit, das sah man in den meisten Vorbereitungs- und Testspielen. „Boah, ich bin so platt jetzt“, räumte Rückkehrer Hendrik Zuck nach dem Auslaufen beim Gespräch an der Spielfeldbande ein. Auslaufen? Ja, unter dem emsigen Mitwirken von Fitnesstrainer Bastian Bäcker und unter den wachsamen Augen von Co-Trainer Alexander Bugera, tummelte sich der gesamte Kader noch fast eine halbe Stunde lang auf dem Rasen, während die Tribünen längst verwaist waren und tausende Fans unten in den Umläufen noch feierten. Alles ohne zu murren und wohlgelaunt, obwohl die Jungs bei der Witterung wahrscheinlich lieber im Entmüdungsbecken gelegen hätten anstatt hier noch Runden zu traben oder Slalomstangen zu umkurven.

Verdienter Lohn, Torschütze Janek Sternbergmit geballter Faust (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Verdienter Lohn, Torschütze Janek Sternberg mit geballter Faust (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Lediglich Mads Albaek, der am linken Oberschenkel eine dicke Kühlkompresse unter einem Verband über den Rasen spazieren trug, signalisierte per Handbewegung fragend Richtung Co-Trainer, ob nicht Schluss sei. Der stand mit verschränkten Armen und konzentriertem Blick im Mittelkreis und signalisierte mit leichtem Kopfschütteln, dass wohl noch mindestens eine Runde traben angesagt sei. Die Akteure taten artig wie ihnen geheißen wurde. Aber Bock hat nicht nur die Truppe um Kapitän Florian Dick, Bock haben natürlich auch die Fans! Sonst wäre gestern diese Kulisse nicht zustande gekommen. Ob sich in dieser Saison eine solche Zuschauerzahl wiederholen oder gar toppen lässt, wird davon abhängen, wie nachhaltig die Mannschaft mit ihrer Charakterstärke und mit ihrer Leidenschaft Erfolg auch im Tabellenbild widerspiegeln kann.

Feiern vor der Fankurve (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Feiern vor der Fankurve (Foto: www.der-betze-brennt.de)

Vielleicht schon am kommenden Wochenende, wenn es zu dem vermeintlichen Underdog aus Großaspach geht. Ein Stadion mit einer Kapazität von lediglich 10.000 Zuschauern. Immerhin ein Fünftel davon dürfte aus Lautern anreisen. Vielleicht sorgen ja auch die zumindest für die eine oder andere akustische Eruption. Wenn die Mannschaft mit dem Fußball von gestern erneut zeigen kann, was Fußball ist, stehen die Chancen dafür sicher gar nicht schlecht!

mg


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